Verlorene Illusionen (German Edition)
Mann zu werden, ließ das Interesse in ihm einen Verstand erwachsen, der freilich materiell, aber voller Gier, Argwohn und Schärfe war. Seine Praktik kümmerte sich nicht das mindeste um die Theorie. Er hatte gelernt, mit einem hingeworfenen Blick den Preis einer Seite und eines Bogens, je nach der Schriftgattung, abzuschätzen. Er bewies seinen unerfahrenen Kunden, daß es teurer sei, die großen Lettern zu handhaben als die kleinen; wenn es sich um kleine handelte, sagte er, es sei schwieriger, mit ihnen umzugehen. Da die Setzerei der Teil seines Berufs war, von dem er nichts verstand, hatte er eine solche Angst, sich zu irren, daß er nur solche Geschäfte machte wie der Löwe in der Fabel. Wenn seine Setzer gegen Stundenlohn arbeiteten, ließ er niemals ein Auge von ihnen. Wenn er irgendwo einen Fabrikanten in Schwierigkeiten wußte, kaufte er seine Papiere zu niedrigem Preis und stapelte sie auf. Zu der Zeit war er schon Besitzer des Hauses geworden, in dem sich die Druckerei seit unvordenklichen Zeiten befand. Er hatte alles mögliche Glück; er wurde Witwer und hatte nur einen Sohn, er tat ihn in das Lyzeum der Stadt, weniger um ihm einen guten Unterricht zuteil werden zu lassen, als um sich einen Nachfolger heranzuziehen; er behandelte ihn streng, um die Dauer seiner väterlichen Gewalt zu verlängern, und in den Ferien ließ er ihn am Setzkasten arbeiten, wobei er ihm sagte, er solle lernen, sein Brot zu verdienen, um eines Tages seinen armen Vater entschädigen zu können, der sich aufopfere, um ihm eine gute Erziehung zu geben. Als der Abbé ihn verließ, erwählte Séchard aus der Zahl seiner vier Setzer den zum Faktor, von dem ihm der künftige Bischof gesagt hatte, er sei in gleicher Weise rechtlich wie klug. Auf solche Weise war er imstande, den Augenblick zu erreichen, wo sein Sohn die Anstalt übernehmen konnte, die sich alsdann unter jungen und geschickten Händen vergrößern sollte. David Séchard machte auf dem Lyzeum von Angoulême die vorzüglichsten Fortschritte. Obgleich unser Bär, der es auch ohne Kenntnisse und Unterricht zu etwas gebracht halte, die Wissenschaft gründlich verachtete, schickte Vater Séchard seinen Sohn nach Paris, damit er dort die Buchdruckerkunst in ihrer höchsten Ausbildung kennen lernte; aber er empfahl ihm dringend, er solle an einem Orte, den er das Paradies der Handwerker nannte, ein ordentliches Sümmchen zurücklegen, wobei er hinzufügte, er dürfe keinesfalls auf die Börse seines Vaters rechnen, und in diesem Aufenthalt in der Stadt der Weisheit ein zweifelloses Mittel sehen, seine Ziele zu erreichen. David verband in Paris die Erlernung seines Handwerks mit der Vollendung seiner Studien. Der Faktor der Firma Didot bildete sich zu einem Gelehrten aus. Gegen Ende 1819 verließ David Séchard Paris, ohne daß der Aufenthalt dort seinen Vater, der ihn zurückrief, um ihn an die Spitze des Geschäfts zu stellen, einen roten Heller gekostet hätte. Die Druckerei von Nicolas Séchard war zu der Zeit im Besitz des einzigen amtlichen Blattes des Bezirks, hatte die Aufträge der Präfektur und der bischöflichen Kanzlei, und das waren drei Kunden, die einem rührigen jungen Menschen zu einem großen Vermögen verhelfen mußten. Damals kauften die Brüder Cointet, ihres Zeichens Papierfabrikanten, gerade das zweite Druckerpatent der Stadt Angoulême, das der alte Séchard bisher unter dem Schutze der kriegerischen Zeitläufte, die während des Kaiserreichs jeden Aufschwung der Industrie erschwerten, nicht hatte aufkommen lassen; darum hatte er es auch nicht an sich gebracht, und sein Geiz war ein Grund für den Untergang der alten Druckerei. Als der alte Séchard diese Nachricht erhielt, überlegte er sich vergnügt, den Kampf zwischen seiner Druckerei und den Cointet werde nun sein Sohn durchfechten müssen und nicht er.
»Ich wäre in dem Streit unterlegen,« sagte er sich; »aber ein junger Mann, der bei Didot ausgebildet ist, wird damit fertig werden.«
Der Siebzigjährige sehnte den Augenblick herbei, wo er die Last der Geschäfte los wäre. Er wußte zwar wenig von der hohen Kunst der Typographie, aber dafür stand er im Rufe, in einer andern sehr stark zu sein, die die Berufsgenossen recht hübsch die Saufographie genannt haben, in einer Kunst also, die der göttliche Verfasser des Pantagruel sehr geschätzt hat, deren Pflege aber dank der Verfolgungen der sogenannten Temperenzgesellschaften von Tag zu Tag mehr zurückgeht. Jérôme Nicolas Séchard, getreu
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