Vermaehlung um Mitternacht
fester. Er wusste, dass sie nicht fliehen würde. Prüfend schaute Alec ihr ins zarte Gesicht, um zu sehen, ob Nicks wahrer Charakter ihr das Herz gebrochen hatte.
Mitleid wallte in ihm auf und verdrängte seinen eigenen Schmerz. Er wusste, wie sehr unerwiderte Liebe schmerzen konnte, kannte die Enttäuschung, wenn man in die Augen des geliebten Menschen guckte und dort nur das Bild einer anderen Person entdeckte.
Zu seiner Überraschung flüsterte Julia: „Ich will wirklich nicht feige erscheinen, aber ich glaube, wir sollten tun, was er sagt.“
Alec drückte ihre Hand. Sie hatte Recht, jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt. „Geh du voraus.“
Sie kehrte ins Jagdschlösschen zurück, wobei sie Nick im Vorübergehen einen vorwurfsvollen Blick zuwarf.
Beim Eintreten bemerkte Alec die umgestürzten Stühle, und auf dem Tisch erblickte er eine umgedrehte Servierhaube. „Hat er ...?“ „Nein.“ Spöttisch verzog sie den Mund. „Dazu habe ich ihm keine Gelegenheit gelassen.“
Erleichterung durchströmte ihn. Gott sei Dank war ihr das erspart geblieben. Wie von selbst zog Alec sie an sich und legte seine Wange an ihr Haar.
„Reizend“, spöttelte Nick. „Bitte setzt euch doch.“
Alec konnte sich kaum zurückhalten. Aber nach einem Blick in Julias bleiches Gesicht ließ er sie los und führte sie zum Sofa. Dort zog Alec sie gleich wieder in die Arme, dankbar, dass sie keinen Einspruch erhob und ihm erlaubte, sie festzuhalten.
Nick schloss die Tür und ging zum Kamin. Er lehnte sich an den Sims und betrachtete sie düster.
Alec zog die Brauen hoch, als er das Blut entdeckte, das von Nicks Stirn tropfte. „Was ist denn mit dir los?“
Sein Vetter warf Julia einen wütenden Blick zu.
Sie rümpfte die Nase. „Nick und ich hatten eine kleine Meinungsverschiedenheit.“
Sie schien zornig zu sein, aber Alec war erleichtert, als er in ihren ausdrucksvollen Zügen kein anderes Gefühl entdeckte. Plötzlich fragte er sich, ob Lucien vielleicht Recht gehabt hatte. Vielleicht bewegte sein verdorbener Vetter gar nicht ihr Herz, sondern nur ihr reges Mitgefühl. Aber wer war es dann, den sie seit vier langen, schmerzerfüllten Jahren liebte?
Vorsichtig tastete Nick die Beule an seiner Stirn ab. „Ich muss dich loben, Vetter. Deine Gattin ist ebenso aufregend wie reizvoll.“ Sein unverschämter Blick ruhte auf Julia, worauf Alec unwillkürlich die Fäuste ballte.
Julia zog ihn am Arm. „Lass dich nicht von ihm provozieren! Er will sich doch nur duellieren.“
„Ruhe!“ Nicks Miene verfinsterte sich, und er wandte sich an Alec. „Du hast keine andere Wahl. Entweder kämpfst du mit mir, oder ..." Bedeutungsvoll hob er die Pistole in Julias Richtung.
Alec musste sich beherrschen, um nicht seine eigene Pistole zu ziehen, die immer noch in der Tasche des Kutschermantels steckte, aber er wagte es nicht, Julias Sicherheit aufs Spiel zu setzen. „Die Testamentsvollstrecker werden dir das Geld nach dieser Episode nie auszahlen.“
„Warum nicht? Im Testament ist ja nicht festgehalten, wie ich mich zu benehmen habe. Solche Regelung gibt es nur für dich.“ Nick lächelte befriedigt.
Julia beugte sich vor. „Vergessen Sie doch das alberne Duell, und lassen Sie uns gehen.“
„Das kann ich nicht, meine Liebe. Alec würde mich nie bei lebendigem Leib davonkommen lassen.“ Er musterte Alec. „Habe ich nicht Recht, mein lieber Vetter?“
Alec erwiderte den kalten Blick ebenso frostig. „Du wirst Julia nie wieder etwas antun.“
Dringlich zupfte sie an seinem Rock. „Alec, Nick hat mir das Leben gerettet.“
„Was?"
Unbehaglich rutschte Nick auf seinem Stuhl herum. „Es war nichts weiter. Ihr ist nur ein Bissen im Hals stecken geblieben.“ Angestrengt bemühte Alec sich, mit der etwas sprunghaften Unterhaltung Schritt zu halten. „Und woher kommt dann die Schramme in deinem Gesicht?“
Julia hob die Hand an die Wange und zuckte zusammen, als sie die Wunde berührte. „Ich habe mich an einem Stuhl gestoßen, als ich zu entkommen versuchte.“
Alec starrte auf die Servierhaube, die in verbeulter Pracht auf dem Tisch lag, bevor er zu seinem Vetter schaute. „Großer Gott.“
Nick hob einen schmalen Holzkasten auf. „Verschwende dein Mitleid bloß nicht auf mich. Hören wir endlich auf mit dieser Komödie und wählen wir die Waffen.“
Als Alec aufstand, packte Julia seine Hand. „Nein, Alec! Er hat noch kein Duell verloren.“
Alec nahm seinen Kutschermantel und legte ihn Julia um. Ihre
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