Verrat der Finsternis (German Edition)
dennoch um beides. Auch in Tegans Namen.“
Der Himmel über Aine veränderte sich. Die Sterne, die ihn erhellten, fingen an, einen wilden Strudel zu bilden, der Licht durch die Öffnung in die Höhle regnen ließ. Aine hörte Tegan erschrocken keuchen, als sich in der Luft vor ihnen die Gestalt einer Frau materialisierte.
Aine taten die Augen weh. Es kostete sie große Anstrengung, den Blick zu heben und die Göttin anzuschauen. Liebevoll lächelnd wedelte Epona einmal mit ihrer Hand vor ihrem Gesicht, und die Helligkeit nahm spürbar ab, sodass ihr Anblick erträglich wurde. Aine spürte den rasenden Schmerz, als Tegan versuchte, sich so weit aufzusetzen, dass er sich vor Epona verneigen konnte. Sie wollte schon zu ihm eilen, um ihm zu helfen, aber die Göttin war schneller.
Epona kniete sich hin, nahm Tegans Gesicht zwischen ihre beiden Hände und gab ihm einen zärtlichen Kuss auf die Stirn. Der Phantomschmerz in Aines Rücken klang sofort ab.
„Meine Göttin!“ Tegan weinte. Er zitterte, aber in seinen Augen spiegelten sich nicht länger Schmerz oder Trauer. „Vergib mir, dass ich nicht stärker gewesen bin.“
„Tegan, mein Sohn, deine Stärke ist eine tiefe, stille Quelle in dir. Du erhältst sie am Leben, ohne dein Gefühl für richtig oder falsch in ihr zu ertränken. Und wenn es nötig ist, schenkst du aus ihr aus. Ich bin sehr zufrieden mit dir.“
Dann wandte sich Epona an Aine. Die Heilerin beugte die Knie, um auf den Boden zu sinken, doch die Göttin hielt sie mit einer Handbewegung davon ab.
„Vor nicht allzu langer Zeit habe ich dich vor eine Entscheidung gestellt, meine Tochter“, sagte die Göttin. „Und wie mit deinem Seelengefährten bin ich auch mit dir sehr zufrieden.“
„Ich habe diese Frauen getötet“, sagte Aine schluchzend.
„Das hast du. Wieder standest du vor einer schwierigen Entscheidung, und du bist deinem Herzen gefolgt. Würde es dir helfen, zu wissen, dass die Bewohner der Wachtburg eigene Entscheidungen treffen? Weil sie die Dunkelheit in ihre Mitte gelassen haben, sind sie vom Bösen verführt worden. In vielen noch kommenden Jahren müssen sie die Konsequenzen für diese Wahl tragen. Diejenigen, deren Seelen du befreit hast, sind glücklich. Ihr Tod war schmerzlos. Das wird der der anderen nicht sein.“
„Also vergibst du mir?“
„Du hattest meine Vergebung schon, bevor du darum gebeten hast.“ Die Göttin lächelte. „Dein Leben war bisher erst kurz, aber du hast einen starken Geist und bist bereit für die Reise, die vor dir liegt. Und so, Aine, Heilerin und Tochter, stelle ich dich vor eine letzte Wahl.“
Epona nahm ihre Hand und führte Aine zu Tegan, der stark und erholt wirkte, auch wenn er seine schönen Flügel nicht mehr hatte. Die Göttin vereinte ihre Hände und fuhr dann fort.
„Ich überlasse euch die Entscheidung über euer Schicksal. Ihr könnt Partholon vor den einfallenden Fomorianern warnen, oder ihr könnt aus dieser Welt in eine andere flüchten, wo die Technik das Sagen hat und die Lebewesen von hier nur mehr Wesen aus Mythen und Sagen sind. Wenn ihr in Partholon bleibt, seid ihr nicht sicher, und eure Liebe wird niemals akzeptiert werden. Wenn ihr in die Welt der Technologie geht, werdet ihr ein neues Leben beginnen und gemeinsam alt werden. Bevor ihr euch entscheidet, wisst, dass ich eure Wahl auf jeden Fall gutheiße, egal wie sie ausfällt. Ich gebe meinem ganzen Volk den freien Willen – sogar meinen Besten.“
Aine suchte und fand Tegans Blick. Sie musste ihn nicht fragen. Ihre Bindung verriet ihr, dass seine Entscheidung die gleiche war wie ihre. Sie konnte es ihm nicht verdenken. So war er einfach in tiefster Seele. Und sie musste es wissen, schließlich war seine Seele unter ihrem Schutz.
Aine sah der Göttin in die Augen. „Wir entscheiden uns für Partholon.“
20. KAPITEL
Das Lächeln von Epona war so strahlend, das es beinah blendete. „Sehr gut, Tochter! Du hast die letzte Prüfung bestanden. Und jetzt wirst du das hier brauchen. Es ist dein Schicksal, es bis zu dem Tag an einem sicheren Ort aufzubewahren, an dem Partholon es braucht.“ Die Göttin machte eine schnelle, elegante Handbewegung, und die Urne schwebte zu Aine. Erstaunt streckte sie die Hände danach aus, doch das Gefäß glitt ihr aus den Fingern und fiel zu Boden.
Verärgert hob Aine die Urne auf und sah zu ihrem Entsetzen, dass sich im Boden der Urne ein kleiner Haarriss gebildet hatte.
„Vergib mir, Göttin!“ Aine weinte.
Epona lachte
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