Verrat der Finsternis (German Edition)
würdest.“
„Ich musste.“
„Um mich zu heilen?“
„Ja.“ Und um dich zu berühren, um bei dir zu sein und dich wieder lächeln zu sehen.
„Komm, meine Höhle ist gleich in der Nähe.“
Tegan führte sie durch eine Felsspalte, die sich tief in die schieferfarbenen Berge hineingrub. Er bewegte sich langsam und humpelte stark. Da der Pfad sehr schmal war, konnte Aine nicht neben ihm gehen, doch sie folgte ihm so dicht es ging. Seine Flügel faszinierten sie. Sie waren riesig … dunkel. So etwas hätte sie sich in ihren kühnsten Träumen nicht ausmalen können. Letzte Nacht hatte sie sie nur flüchtig berührt und sich gefragt, wie es wäre, sie bewusst anzufassen, sie zu streicheln.
Sie hätte Tegan beinah angerempelt, nachdem er plötzlich stehen geblieben war. Er schaute sie über seine Schulter hinweg an. Die Leidenschaft, die sie in seinen bernsteinfarbenen Augen sah, machte Aine atemlos.
„Ich kann dein Verlangen fühlen. Das macht es für mich sehr schwer, dich nicht in meine Arme zu nehmen.“
14. KAPITEL
Aine vergaß zu atmen. „Deine Flügel sind wunderschön.“ Sie sah, wie sie zitterten, als wären ihre Worte eine Liebkosung. Überrascht trat sie einen Schritt zurück.
„Bitte, hab keine Angst vor mir. Wir sind aneinander gebunden, du und ich. Eher würde ich mir diese Flügel vom Körper reißen, als dir wehzutun.“
„Könntest du das?“ Sie starrte auf seine Flügel. „Sie scheinen so sehr ein Teil von dir zu sein.“
„Für mein Volk sind die Flügel der Sitz unserer Seele. Zerstöre meine Flügel, und du wirst vermutlich auch mich zerstören.“
Er hatte ihr gesagt, wie er verletzt werden konnte, und das machte ihr fürchterliche Angst. Nicht um sich, sondern um ihn. Was wäre gewesen, wenn die Bärenfalle sich nicht um sein Bein, sondern um einen seiner Flügel geschlossen und ihn abgerissen hätte? Allein der Gedanke bereitete ihr Übelkeit.
„Aine, machst du dir Sorgen um mich?“
Sie löste den Blick von den Flügeln und schaute ihm in die Augen. „Ich denke nur, dass sie so … entblößt sind. Wenn eure Flügel so wichtig sind, würde man meinen, dass sie besser geschützt sein müssten.“
Tegan lachte. „Du wärst überrascht. Normalerweise bin ich nicht so hilflos.“ Immer noch leise lachend ging er weiter.
Sie waren nur einige Schritte gegangen, als Tegan erklärte: „Du musst dich bücken, um in die Höhle hineinzugehen, aber kurz danach ist die Decke wieder höher.“
Sie sah, dass er sich kleinmachte und sich in eine Nische am Fuß der Berge schob. Aine duckte sich ebenfalls und folgte ihm. Ein paar Meter hinter dem schmalen Eingang lag ein großer, rechteckiger Raum. In der Decke war eine runde Öffnung, durch die allerdings nur sehr schwaches, indirektes Licht fiel. Hauptsächlich diente sie als Rauchabzug für das sorgsam aufgeschichtete brennende Holz, das sowohl ein angenehmes Licht als auch ausreichend Wärme abgab. Aine hörte Wasser rauschen und erkannte, dass die hintere Wand von Wasser feuchtgehalten wurde, das aus einem Felsspalt floss. Es war ein kleiner Wasserfall. An einer anderen Höhlenwand hingen Streifen von geräuchertem Fleisch und Bündel getrockneter Kräuter. Die gesamte Höhle roch angenehm nach Kiefernrauch und Gewürzen.
„Wie lange lebst du schon hier?“, fragte sie und machte sich daran, die Urne auszuwickeln.
Tegan setzte sich vorsichtig auf einige auf dem Boden liegende Felle. „Zwei volle Läufe der Jahreszeiten.“
Sie blinzelte überrascht. „Und niemand weiß davon?“
„Nur du. Ich gehe selten in den Wald von Partholon, und gestern war ich auch nur dort, weil der Winter kommt und man dort besser jagen kann als auf der Brachland-Seite der Berge.“
Aine begann sein Bein zu untersuchen. „Also gibt es hier wirklich keine anderen Fomorianer.“
„Du hast gestern doch gesagt, dass du mir glaubst.“
„Das tue ich auch. Trotzdem ist es alles so unglaublich.“
Er sog scharf die Luft ein, als sie eine reinigende Lösung über seine Wunde goss. Aine verzog ebenfalls das Gesicht, hielt aber nicht inne, bis das Bein sauber und die Wunde frisch verbunden war. Dann setzte sie sich erschöpft hin. Sie atmete genauso schwer wie Tegan. Nach einer Verschnaufpause betrachtete sie ihn mit den Augen der Heilerin. Die Wunde sah heute besser aus, aber er nicht. Er hatte blutunterlaufene Schatten unter den Augen, und seine Haut hatte das Strahlen verloren, das ihr gestern noch aufgefallen war.
„Mir wird es bald
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