Palast der Liebe
1. KAPITEL
Wie konnte das nur passieren?“ Verärgert warf Larry Watson den braunen Umschlag auf den
Schreibtisch. „Wie konnten Sie die Diplomatenpost verwechseln? Auch wenn das Versehen zum Glück nicht schwer wiegend war, ist es unverzeihlich. Der kleinste Fehler, der hier im State Department gemacht wird, kann ernsthafte Folgen nach sich ziehen. Das nächste Mal geben Sie dann womöglich geheim zu haltende Informationen weiter.“
Caren Blakemore lehnte sich müde in ihren Schreibtischstuhl zurück. Großartig, dachte sie. Das hat mir gerade noch gefehlt.
„Es tut mir Leid“, sagte sie. „Ich weiß selbst nicht, wie mir der Irrtum unterlaufen konnte. Ich gebe zu, ich habe einen Fehler gemacht. Aber das kann ja mal Vorkommen.“
Die Auseinandersetzung mit ihrem Chef gab Caren den Rest. In Belastungssituationen wie dieser fühlte sie sich jener tiefen Niedergeschlagenheit, die ihr jetzt schon seit einem Jahr zu schaffen machte, noch hilfloser ausgeliefert als sonst.
Larry Watson klopfte mit dem Kugelschreiber auf die lederne Schreibtischunterlage. Er sah genauso aus, wie man sich den Unterstaatssekretär des Staatssekre-tärs des Außenministers der Vereinigten Staaten vorstellt. Er hatte den obligatorischen Bürstenhaarschnitt, trug korrekt sitzende, anthrazitgraue Anzüge, weiße Oberhemden und dunkle Krawatten. Nur sein Gesichtsausdruck entsprach nicht den Vorschriften. Er verriet nämlich ein gewisses Mitgefühl für seine Sekretärin.
„Es tut mir Leid, wenn ich eben etwas heftig war, Caren“, meinte er. „Aber es ist nur zu Ihrem Besten.“
„Das hat meine Mutter auch immer gesagt, wenn sie mir eine Tracht Prügel verabreichte. Ich habe damals genauso wenig davon gehalten wie heute“, gab Caren zurück.
Larry lächelte sie reumütig an. „Es klang vielleicht wirklich etwas abgedroschen.“ Er stützte die Arme auf die Schreibtischplatte und beugte sich vor. „Aber ich habe es ernst gemeint. Sie brauchen diese Beförderung, Caren. Auch wenn ich Sie dadurch als meine Sekretärin verliere.“
„Ja, ich brauche sie wirklich. Und zwar aus den verschiedensten Gründen.“
„Geld?“
„Das ist einer davon. Kristins Schule ist nicht billig.“
„Muss sie denn auf eine Privatschule gehen?“
„Ich habe meiner Mutter auf dem Sterbebett versprochen, dafür zu sorgen, dass meine Schwester die bestmögliche Ausbildung bekommt. Und in Washington heißt das Privatschule.“
„Sie muss aber doch nicht im Internat wohnen?“ Caren schüttelte den Kopf. „Ich kann meine Arbeit nicht auf ihren Stundenplan abstimmen, Larry. Wer würde sich nachmittags um sie kümmern? Nein, es ist schon besser, sie wohnt im Internat.“
„Sie hätten die Abfindung annehmen können, die Winston Ihnen angeboten hatte.“ Larry wusste, dass diese Bemerkung riskant war. Ebenso gut hätte er ein brennendes Streichholz in ein Pulverfass werfen können.
Sein Einwand hatte tatsächlich die befürchtete Reaktion zur Folge. Erbost sprang Caren auf. „Winston versuchte sich mit Geld ein reines Gewissen zu erkaufen. Nein, so einfach sollte er mir nicht davonkommen! Außerdem wollte ich nach der Scheidung nichts mehr mit ihm zu tun haben.“
Nach dreizehn Monaten und zweiundzwanzig Tagen tat es Caren immer noch schrecklich weh, dass ihr Mann sie wegen einer anderen Frau verlassen hatte. Wann würde der Schmerz endlich aufhören? Sie hatte gehofft, dass die Beförderung auf einen höheren Posten im Außenministerium ihr einen neuen Lebensinhalt würde geben können. Aber die Chance hatte sie jetzt wohl verspielt. Genauso, wie sie auch ihre Ehe verspielt hatte.
„Darf ich einmal offen mit Ihnen reden?“ fragte Larry. „Der Irrtum mit der Diplomatenpost ist Ihnen unterlaufen, weil Sie müde sind. Müde, erschöpft und ausgelaugt. Am Ende Ihrer Kräfte. Weil Sie kurz vor einem Nervenzusammenbruch stehen.“
„Mein Gott, diese aufmunternden Worte haben mir gerade noch gefehlt.“ Caren seufzte.
Larry stand auf und kam um den Schreibtisch herum. „Caren“, sagte er, „haben Sie nicht lange genug die Märtyrerin gespielt? Dieser Schuft hat Sie ohne jeden Grund verlassen..."
„Oh, er hatte sehr wohl einen Grund“, unterbrach ihn Caren. „Der Grund war blond und äußerst attraktiv.“
„Das war doch sicher nicht der eigentliche Grund?“
„Sicher nicht.“
„Caren, ich versuche ernsthaft mit Ihnen zu reden.“
„Entschuldigen Sie.“
„Sie haben ein schweres Jahr hinter sich. Sie mussten nicht nur die
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