Verrat der Finsternis
einfältiges Mädchen, als sie umkehrte und das Pferd antrieb, sie zu ihm zurückzubringen.
10. KAPITEL
Tegan war nicht schwer zu finden. Er stolperte auf die Lichtung, auf der der Scheiterhaufen immer noch rauchte. Aine zwang das Pferd, das mit einem Mal ungewohnt scheu war, stehen zu bleiben. Tegan fiel aufs Gras und machte sich nicht einmal die Mühe, zu ihr aufzuschauen.
„Hast du versucht, mir zu folgen?“ Aine stieg vom Karren und ging vorsichtig auf den am Boden Liegenden zu. Sie wünschte, der stechende Schmerz in ihrem Bein würde endlich verschwinden.
Er atmete ein paar Mal keuchend ein, bevor er antwortete. „Ich habe nicht versucht, dir zu folgen. Ich wollte nur zurückgehen.“ Er schaute zu ihr auf und wies mit einer Hand schwach in Richtung Burg.
„Bei der Göttin! Zurück zur Wachtburg?“
Er runzelte die Stirn und schenkte ihr einen Blick, der klar sagte, dass er sie für etwas wirr im Kopf hielt. „Natürlich nicht. Meine Höhle liegt in den Bergen Trier. Von der Burg habe ich mich immer ferngehalten.“ Sein Blick schweifte zum Scheiterhaufen, und die Erkenntnis spiegelte sich in seinen ausdrucksstarken Augen wider. „Das ist Maev. Die Frau, von der du dachtest, ich hätte sie getötet.“
„Sie war eine zentaurische Jägerin“, korrigierte Aine ihn ruhig. Dann traf die Wahrheit sie wie ein Schlag. Tegan hatte Maev nicht umgebracht. Das spürte sie so sicher wie den Schmerz in ihrem Bein.
„Ich habe sie nicht getötet.“
„Ich weiß.“ Aine traf ihre nächste Entscheidung sehr schnell. „Steig auf den Karren! Ich bringe dich in deine Höhle zurück.“
„Und dann führst du die Krieger dorthin, um mich zu töten?“
„Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, was ich mit dir machen soll“, antwortete sie wahrheitsgemäß. „Wenn ich dich anfasse, wenn ich dir helfe, auf den Wagen zu klettern … Wirst du mich dann beißen?“
Ein fast trauriges Lächeln umspielte seine Lippen. „Möchtest du das gerne?“
„Nein“, sagte Aine fest und rieb sich den blauen Fleck am Hals.
„Du bist vor mir sicher, kleine Heilerin. Ich habe vorhin nur die Kontrolle verloren, weil ich auf der Schwelle zum Tod stand. Dein Blut hat mich gestärkt. Jetzt laufe ich gerade nicht Gefahr zu sterben, also musst du auch nicht befürchten, dass ich von dir trinken will.“ Er schwieg kurz und fügte dann hinzu: „Außer du möchtest es.“
„Dann werde ich für immer vor dir sicher sein“, stieß sie gepresst hervor und ging zu ihm, um ihm die Hand zu reichen.
Tegan ließ zu, dass sie ihm langsam auf die Füße half. Sie rang erschrocken nach Atem, als er schließlich neben ihr stand. Göttin, war er groß! Er ragte neben ihr auf und verdeckte fast den immer dunkler werdenden Himmel. Seine Flügel lagen ruhig und eng an seinem Rücken, aber er sah trotzdem wie ein wilder, männlicher Raubvogel aus.
„Du bist so klein“, sagte er plötzlich. „Ich habe Angst, dich zu zerdrücken, wenn ich mich auf dich stütze. Vielleicht suchst du mir lieber einen Stock, den ich als Stütze benutzen kann. Oder bring den Karren näher heran, dann kann ich hineinhumpeln.“
Da standen sie nun und starrten einander nervös an, während er versuchte, auf einem Fuß zu stehen. Aine musste den Drang, in hysterisches Lachen auszubrechen, unterdrücken. Hatte er genauso viel Angst vor ihr wie sie vor ihm?
„Ich bin stärker, als ich aussehe“, sagte sie.
Sie ging auf seine verletzte Seite und legte einen Arm um seine Taille. Im Gegenzug legte er den Arm um ihre Schultern. Indem sie darauf achtete, nicht zu schnell zu gehen, führte sie ihn zum Wagen. Sein Körper war warm und stark, und hinter sich fühlte sie seine Flügel, die ihr jetzt wie ein lebendiger Mantel vorkamen. Sein Duft war ihr bisher gar nicht aufgefallen, aber jetzt nahm sie ihn wahr. Er roch nach Wald, Schweiß und Mann. Er roch außerdem leicht nach Blut – seines und ihres. Erschrocken stellte Aine fest, dass sie den Geruch verführerisch fand.
„Ich kann dich nur einen Teil des Weges bringen.“ Sie hatte es geschafft, ihn auf die Ladefläche zu setzen. Nun zog das Pferd sie auf dem Weg in Richtung Burg. „Ich muss anhalten, bevor die Mauern in Sicht kommen oder die Krieger uns sehen können.“
„Also hast du dich entschieden und willst mich verraten?“
Aine warf ihm über die Schulter einen Blick zu. „Ich verrate Partholon, indem ich dich verstecke.“
„Nein, das tust du nicht. Ich will Partholon nichts Böses. Ich bin keine
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