Verrat der Finsternis
freudig auf. „Kleine Heilerin, du könntest nicht vollkommener sein. Ich will, dass du dich an diese Urne erinnerst. Wenn du sie das nächste Mal siehst, wirst du wissen, dass die Zeit naht, zu der sich dein Schicksal erfüllt.“
„Ich verstehe das nicht“, brachte Aine elend hervor.
„Das wirst du. Erinnere dich nur daran, dass diese Urne gemeinsam mit ihrem Ebenbild hierher zurückkehren muss und dass du und Tegan diejenigen seid, die dafür sorgen, dass es geschieht.“
Bevor Aine auch nur eine der tausend Fragen stellen konnte, die ihr durch den Kopf gingen, legte die Göttin ihr und Tegan je eine Hand auf die Stirn. „Geht mit meinem immerwährenden Segen.“
Damit verschwanden Aine, Tegan und Eponas Urne.
Fünfzig Jahre später.
Nordwest-Oklahoma, nicht weit von Locus Grove entfernt.
Das riesige Herrenhaus im viktorianischen Stil war auf dem Land in Oklahoma so fehl am Platz wie auf dem Gipfel eines schieferfarbenen Bergmassivs. Es war einmal wunderschön gewesen, aber die Jahre hatten ihre Spuren und Risse hinterlassen, sodass es einige Leute nun an die Haut eines alten Rauchers erinnerte.
Das uralte Paar, das hier lebte, liebte das Haus.
„Müssen wir wirklich fort von hier?“, fragte der alte Mann seine Frau. „Ich hasse es, mitansehen zu müssen, wie all unsere Sachen versteigert werden.“
„So ist es besser – einfacher“, erwiderte sie. „Außerdem ist unsere Aufgabe hier fast beendet. Sieh nur, es fängt schon an.“ Sie bedeutete ihrem Mann, zu ihr ans Fenster zu treten. Gemeinsam beobachteten sie die Szene, die sich unten im Garten abspielte.
„Mein Gott! Was, verdammt noch eins, ist das?“, rief ein Mann mit starkem Akzent laut aus und stellte das Objekt schnell wieder auf den Tisch, von dem er es genommen hatte.
Ein anderer Mann nahm es in die Hand und wurde vor Schreck ganz blass, als er den Haarriss am Boden der Urne sah.
„Sir, Sie haben recht. Bitte nehmen Sie meine Entschuldigung für diese beschädigte Ware an. Ihre Rechnung wird natürlich umgehend berichtigt.“
Die alte Frau lächelte, als sie sah, wie eine junge Frau mit wildem rotem Haar auf den Mann zuging und ihn gespielt lässig ansprach. „Entschuldigen Sie, aber was passiert denn jetzt mit der Urne?“
„Sie wird wieder versteigert, natürlich als Objekt mit Mängeln “, antwortete er.
Das Pärchen belauschte und beobachtete die Auktion weiter, aber nur so lange, bis die Rothaarige die Urne gekauft hatte und mit ihr auf dem Beifahrersitz vom Hof fuhr.
„Sie sah der Hohepriesterin auf der Urne schon verdammt ähnlich“, sagte der alte Mann.
„Das kommt daher, weil sie die Hohepriesterin ist oder es zumindest sehr bald sein wird.“
„Es ist schwer zu glauben, dass jemand, der so …“, er hielt inne und suchte nach dem richtigen Wort, „… modern ist, die Invasion der Fomorianer verhindern soll.“
Die alte Frau lachte. „Anfangs wird sie denken, dass sie irrtümlicherweise für eine Göttin gehalten wird. Aber Epona irrt sich nicht.“
„Die Wege der Göttin sind nicht immer ergründlich.“
„Nein, aber sie sind immer interessant“, erwiderte sie. „Sollen wir das hier zu Ende bringen, Liebster?“
Statt zu antworten, trat er auf seine Frau zu. Er schaute sie an und umfasste ihre Hände. „Es war ein langes, erfülltes Leben, nicht wahr, Aine?“
„Ja, das war es. Genau wie unsere Göttin es versprochen hat.“
„Und durch ihren Willen konnten wir sowohl fliehen als auch Partholon retten“, sagte Tegan.
Nicht nur durch mich, sondern auch durch eure Kraft und euren Willen, euch zu opfern, um das Böse zu besiegen. Eponas Stimme füllte den Raum mit Wellen aus Magie und Liebe. Nun aber, meine Lieben, ist es an der Zeit, dass ihr nach Hause kommt.
Sie hielten einander immer noch an den Händen, als ihre Körper anfingen zu schimmern. Dann fielen ihre faltigen, gebeugten Gestalten von ihnen ab und ließen eine wunderschöne, dunkelhaarige Frau mit Augen von der Farbe des Frühlingshimmels und einen großen, schlanken Mann zurück, dessen Flügel sich majestätisch ausbreiteten, als er den Kopf zurücklehnte und vor Freude laut auflachte. Tegan zog Aine in seine Arme und küsste sie leidenschaftlich, während sie langsam aus der modernen Welt verschwanden, um auf den grünen Wiesen ihrer Göttin wieder aufzutauchen, wo sie mit Gesängen, Lachen und Liebe empfangen wurden.
– ENDE –
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