Verrat im Höllental
endlosen Nachrichten
aus der oldenburgischen Heimat.
Klößchen stieß Tarzan an, neben dem er
saß, und wies bedeutungsvoll zur Wand, wo sich die Tafelbilder im Glanz ihrer
Schönheit sonnten.
Tarzan bleckte die Zähne. Sein Blick
schlug bei Klößchen ein wie ein Schwinger mit Anlauf. Beschwichtigendes Nicken
löste das aus. Und Klößchen grapschte sich das dritte Stück Käsekuchen.
„Ah!“ sagte Dr. Knoth senior in diesem
Moment. „Das sind sie wohl? Donnerwetter!“ Er stand auf und betrachtete das
Tafelbild links neben der Tür. „Ein echter Brueghel (niederländischer
Maler)?“
Er hatte seine Lesebrille gegen die
Weitsichtbrille ausgetauscht und bewunderte die Kunstwerke.
„Das eigentlich weniger“, sagte Hubi.
„Sondern?“
„Ein Unbekannter. In der Manier
Cranachs. So um 1500. Leider habe ich keine Expertise (Gutachten eines
Sachverständigen). Mit Expertise wären die unbezahlbar.“
Dr. Knoth nickte zufrieden und setzte
sich wieder an den Tisch, wo neben der Kaffeetasse sein Lieblingscognac
wartete. Hubi hatte sich und ihm eingeschenkt.
Dr. Knoth zündete eine der schweren
Zigarren an, die ihm sein Arzt unter Anwendung schlimmster Prognosen (Vorhersagen) verboten hatte. Sie prosteten sich zu.
Tarzan schämte sich. Der Schwindel war
überstanden. Aber es war nicht recht, diesen netten Oldie für dumm zu
verkaufen.
Trotzdem besser so! beruhigte sich
Tarzan. Die Notlüge frommt (nutzt) Hubi — und damit auch dem Papa.
Bis jetzt hatte Dr. Knoth mit keiner
Silbe erwähnt, wann er weiter müsse nach Bad Wiesentau, nachher. Hatte er etwa
genügend Zeit mitgebracht? Würde er noch hier sein, wenn Nicole Tepler
zurückkam?
Oh! dachte Tarzan. Dann bricht drüben
der Wahnsinn aus. Vielleicht fällt die Tepler um. Oder sie ruft die Polizei?
Bitte, lieber Dr. Knoth, bleib nicht zu lange! Wir müssen sie doch rechtzeitig
rüberschaffen, die Werke des Unbekannten in der Manier Cranachs.
3. Lohmann verschenkt seine Beute
Lohmann trat in das Juweliergeschäft,
murmelte einen Gruß und stieß mit geübter Bewegung den kleinen Metallkeil unter
die Tür, womit es unmöglich wurde, sie von außen zu öffnen.
Die Verkäuferin wandte sich um. Ein
freundliches Lächeln lag auf ihrem Gesicht. Aber nur für einen Moment. Dann
erstarrte es.
Seine schwere Pistole war auf sie
gerichtet.
„Das ist ein Überfall! Tun Sie, was ich
sage, und Ihnen wird nichts...“
Er sprach nicht weiter. Offenen Mundes
glotzte er die Verkäuferin durch die Sonnenbrille an.
Das war Magda! Magda Tepler wie sie
leibt und lebt! Magda, wie sie damals gewesen war — mit 24 Jahren. Das
herzförmige Gesicht! Die Veilchenaugen! Das honigfarbene Haar...
Nein! dachte er. Das darf nicht wahr
sein. Habe ich Beulen an der Birne? Bin ich im Wunderland?
Sie rührte sich nicht, erwiderte seinen
Blick, schien aber keine Angst zu haben. Ein trotziger Zug verhärtete ihren
Mund — ganz wie bei Magda, damals.
„Wie... wie heißen Sie?“ fragte er
rauh.
Draußen rumpelte ein Lastzug vorbei.
Der Boden bebte ein bißchen. Lohmann hatte ohnehin das Empfinden, er stehe auf
schwankendem Grund.
„Ich?“ Ihre Stimme klirrte. „Nicole...
Nicole Tepler.“
Sie wollte noch fragen, wieso ihn das
interessiere, unterließ es aber. Ihn nur nicht reizen, den Kerl!
Er atmete tief. „Sie... heißen wie Ihre
Mutter. Mit Nachnamen, meine ich. Sie... sie heißt ja... äh... Magda. Nicht
wahr?“
Ihre Veilchenaugen verdunkelten sich. „Woher
kennen Sie meine Mutter?“
Er antwortete nicht. Langsam senkte er
die Pistole. Verwirrung nahm ihm die Worte.
Auf der Straße war es jetzt ruhig. Dann
bellte ein Hund. Aber nicht vor dem Geschäft, sondern gegenüber: hinter einer
Hofeinfahrt.
O Mann! In Gedanken schlug sich Lohmann
die Pistole an den Kopf. Bin ich also doch im Wunderland! Er wußte nicht, was
er tun sollte. Er dachte: Das fehlt noch, alter Idiot, daß du jetzt weich
wirst! Zum Henker, ist sie dufte. Wie Magda! Tatsächlich wie Magda!
Er räusperte sich, während er sie
unverwandt beglotzte. Gespannte Wachsamkeit trat plötzlich auf ihr Gesicht.
„Sie tragen eine Perücke“, sagte
Nicole. „Das macht Sie jünger. Aber Sie müssen fast 60 sein. Sie sind Ottmar
Lohmann!“
So mußte es sein, wenn man reif ist für
die Klapsmühle. Er blickte über die Schulter zur Straße. Niemand. Und der Keil
blockierte die Tür.
Du bist hier, um zu rauben! sagte er
sich. Mann, was ist los mit dir?
In Lebensgröße stand die Antwort vor
ihm.
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