Verrat im Höllental
sie das honigfarbene Haar nach hinten.
„Mutterherz, er war gerührt. Weißt du,
was ich ihm weisgemacht habe? Daß er — stell dir vor! — daß er mein Vater wäre!
Ja, er hat’s geglaubt, der Sparkassenschreck. Bevor er abhaute, hat er mir ein
Geschenk gemacht. 12700 Flocken — wahrscheinlich frisch aus dem Sparschwein.
War alles, was er hatte. Aber ich kriege noch mehr. Was ein richtiger Ganove
ist, der hat Ehre. Und bei einer Tochter wie mir läßt er sich nicht lumpen.
Bald, Mutter, rollen die Nachzahlungen für Unterhalt an. Das bedeutet: Er hat
hier was vor.“
Was Magda Tepler erwiderte, konnte
Lohmann — draußen an die Wand gepreßt — nicht verstehen. Ihm flimmerte das
Licht vor den Augen.
So eine Schlange! Wie die ihn aufs
Kreuz gelegt hatte, das konnte er kaum glauben.
Da habe ich eine Tochter gehabt, dachte
er, für drei Minuten — und gleich wieder verloren. Und du, meine Süße, hast für
12 700 D-Mark Münze gehabt — und gleich wieder verloren.
Er sah sich um. Niemand beobachtete
ihn.
In dem Parterre-Fenster schräg
gegenüber döste ein Kater. Sein gescheckter Schweif hing in den Blumenkasten.
Lohmann nahm Perücke und Bart ab,
stopfte alles in die Jackentasche, schob die Sonnenbrille auf den grauen
Stoppelschnitt hoch und stakte zurück.
Wut stand ihm dick in den Augen. Er
spürte, wie die Halsschlagader an den Kragen klopfte. So eine Schlange! Natter!
Und Magda lebte — und hatte wahrscheinlich genauso gekichert.
Er stieß die Tür auf und stampfte über
die Schwelle. Beinahe hätte er den Eingang wieder verkeilt — aus alter
Gewohnheit. Doch er ließ den Keil, wo er war, und auch die Pistole.
Nicole kam aus dem Büro.
Heiterkeit färbte ihr Herzgesicht
rosig. Lachtränen milchten den Blick. Sie sah den Kunden verschwommen.
„Guten Tag! Bitte, was kann ich für Sie...“
Dann erkannte sie ihn.
„Ach! So... so siehst du aus... ohne
Perücke.“
„Ja, so sehe ich aus. Ich bin noch mal
zurückgekommen, wie du siehst. Daß Magda tot ist, greift mir zu sehr ans Herz.
Bitte, erzähl noch von ihr. Woran ist sie gestorben?“
„An... ja, an Krebs. Wie ich sagte.“
„Vorhin sagtest du, ihr Herz hätte
nicht mehr mitgemacht.“
„Ihr... also, ja. Zum Schluß war es so.
Aber die eigentliche Ursache... Herzversagen? Davon habe ich kein Wort erwähnt.“
Die Lachtränen waren getrocknet. Jetzt
sah sie ihn deutlich.
„Her mit dem Geld, du Kanaille! Wenn du
einen Vater brauchst, dann such dir einen Dummen. Mich auszunehmen, was, das
kam dir gelegen! Du Dreckstück! Magda hat dir wohl nicht nur ihre Schönheit
vererbt. Hinterhältig und durchtrieben war sie schon damals. Aber bei einer so
knackigen Schnitte sieht unsereins nur das Gehäuse. Mitnehmen wollte ich sie
sowieso nicht. Daß ich damals verduftet bin, war richtig, richtig, richtig!
Trotzdem, du Luder, will ich Magda jetzt sehen. Wo finde ich sie? Aber erst
rückst du den Kies raus.“
Ihre Lippen zitterten. Das war nicht
gespielt. Sich von Geld zu trennen, fiel ihr so schwer, als müßte sie dem
kleinen Finger Adieu sagen.
„Lohmann, dreh jetzt nicht auf. Du hast
doch was Großes vor. Dabei können wir dir helfen. Ja, Mutter und ich. Wir sind
nicht die Tugendschäfchen — auch wenn wir so aussehen. Wir kennen die richtigen
Typen. Und was die Kohle betrifft, werden wir uns einig“, sagte Nicole hastig.
Hätte ich bloß nicht gesagt, daß ich
klotzig viel Kies einfahre — in Bälde, dachte er wütend. Sie hat’s richtig
gedeutet. Und nun? Wenn ich sie zur Feindin habe, kann sie mir schaden. Ein
Hinweis an die Bullen — und die haben mich am Kragen. Nee, keinen Zoff, Ottmar!
Nicht jetzt und nicht hier. Außerdem — vielleicht können sie mir wirklich
nützen, die beiden. Gegen eine kleine Beteiligung. Gnaski ist auch nicht mehr
der Jüngste und schon ziemlich zittrig im Sprunggelenk.
„Einig? Hm“, zischte Lohmann durch die
Zähne.
Er trat zur Tür und spähte hinaus.
Die Mittagszeit war vorbei. Die Straße
belebte sich. Nicht gerade wie die Fifth Avenue in New York, wie der Kudamm in
Berlin, wie die Champs Elysees in Paris, wie die Via Veneto in Rom oder wie der
Piazza S. Marco in Venedig — doch einige Leute schlenderten am Schaufenster
vorbei.
Eine Oma blieb stehen und besah sich
die Zuchtperlenkette.
Hau ab! dachte er. Mach deinen Taper
zum Altersheim.
Aber die Oma sah kaufwütig aus und so,
als hätte sie das Geld in der Handtasche.
„Wo können wir hier ungestört reden?“
fragte er. „Ich
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