Verrückte Lust.
Eisen, in dem sich das schmutzige Geschirr stapelte. Die einzige Wärmequelle war ein offener Kamin, der unbenutzbar war. Niemand hatte daran gedacht, nach Anschlußmöglichkeiten für einen Gasherd zu fragen oder sich zu erkundigen, ob es Kleiderschränke usw. gab. Trotz dieser Nachteile erklärten Hildred und Vanya, es sei eine prima Wohnung. Es war die Art von Höhle, die ihrer Neigung zur Boheme entgegenkam.
Sobald sie die Erlaubnis dazu bekommen hatten, begannen sie, die Räume herzurichten. Die grünen Wände wurden schwarz wie Pechblende gestrichen, die Decken reiften zu einem dunkelblauen Schauder, die Glühbirnen bekamen einen Anstrich aus venezianischem Rosa, in den obszöne Muster geritzt wurden. Dann kamen die Wandgemälde. Vanya begann mit ihrem eigenen Zimmer. Es war eine kleine Zelle, die durch ein vergittertes Fenster vom Badezimmer getrennt war. Genau über ihrem schmalen Bett hing der Wasserkasten der Toilette. Das leise, gurgelnde Plätschern in den Rohren beruhigte ihre Nerven.
Die beiden dänischen Schwestern, denen das Haus gehörte, sahen ihr mit lüsternen Augen bei der Arbeit zu. Sie brachten Leberwurstbrote und Bier mit, und schließlich, als man nähere Bekanntschaft geschlossen hatte, zogen sie lange, schwarze Zigarren hervor, die sie gemächlich und genüßlich rauchten. Es dauerte nicht lange, bis Vanya diese Gewohnheit übernahm. Hildred war die einzige, die die angebotenen Zigarren ablehnte. Sie sagte, sie seien widerwärtig. Wahrscheinlich hatte sie recht.
Eines Tages nahm Vanya ihren Mut zusammen und fragte die Schwestern, ob sie für sie Modell stehen würden. Zunächst waren sie geschmeichelt, doch als ihnen dämmerte, daß sie nackt gemalt werden sollten, weigerten sie sich. Vanya setzte jedoch ihre Überredungskunst ein, und schließlich waren sie einverstanden – sie posierten allerdings nicht völlig nackt, sondern in Unterwäsche, und so standen sie Tag für Tag zitternd, mit Zigarren im Mund, Modell, in einer Körperhaltung, die den Betrachter an ein Bacchanal erinnern sollte. Wie ein chinesischer Künstler selbst einen zerbrochenen Teller ganz naturgetreu wiedergibt, so malte auch Vanya diese gierigen Madonnen mit allen Falten, allen Runzeln, allen Warzen.
Bald begannen die Wände der Wohnung sich zu heben und zu senken, zu schreien und zu tanzen. Vanyas kreative Kraft war unerschöpflich. Am hinteren Ende, an der Wand zum Anbau, eröffnete ein Kreis einstürzender Wolkenkratzer den Reigen; auf den Plätzen zwischen ihnen, auf samtigen Grünflächen, konnte man die müden Bewohner der Megalopolis bei ihrem entarteten Treiben beobachten. Von diesem Sodom war es nur ein Katzensprung zum Gomorrha Paris – Paris mit seinen Kiosken und Pissoirs, seinen Kais und Brücken, seinen brodelnden Boulevards und zinkverkleideten Theken. Wenn man das schmale Brett unter dem Wort »Montparnasse« betrachtete, hatte man das Gefühl, in einem Pissoir zu stehen, dessen Wände über und über mit Anordnungen der Stadtverwaltung beklebt waren. Ein Tableau von Gestalten, eine hinter der anderen, rief einem deutlich die traurigen Folgen verschiedener Geschlechtskrankheiten vor Augen. Ein Rundgang durch die Räume vermittelte dem Betrachter einen schmerzhaften Querschnitt durch unsere Kultur: Da waren die Maschine, das Getto, die prächtigen Vorzimmer der Geldbarone, die Flüsterkneipe, die ComicMagazine, die Tanzpaläste, die Irrenanstalten – all das verschmolz zu einem Mahlstrom aus Farbe und Rhythmus. Und als wäre das noch nicht genug, war eine Sektion für das Phantastische reserviert. Hier gestattete sich Vanya, ihr Unbewußtes zu malen. Blumen erblühten zu gewaltigen menschlichen Organen; Ungeheuer, aus deren Mäulern Schleim tropfte, stiegen aus den Tiefen auf und begatteten sich schamlos; aus den Fassaden von Kathedralen wölbten sich milchstrotzende Euter hervor; Kinder, in deren Gürteln Korane und Talmude steckten, unterrichteten alte Leute; unaussprechliche Worte schwebten in einem blutdurchtränkten Himmel, durch den kopfstehende Zeppeline fuhren, gesteuert von so eigenartigen Menschen wie Pythagoras und Walther von der Vogelweide; Seekühe lagen neben Amberfischen und malten mit ihren Schwänzen Sonnenuntergänge.
Tony Bring betrachtete das alles mit ungläubigen Augen, spendete Beifall, machte hier und da einen Vorschlag und staunte über die Schaffenskraft dieses Genies mit den schmutzigen Fingernägeln.
War er allein, so verfiel er in sein übliches dumpfes
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