Verschleppt
passierte die Garnet Avenue, die direkt zum Strand führte. Zwischen dem Abschnitt Mission Boulevard und Ingraham Street war immer was los, insbesondere nach Sonnenuntergang. An allen Abenden im Sommer, Frühjahr und Herbst waren die Bars rappelvoll mit jungen Menschen aus der ganzen Welt.
Auch Sara war hier früher oft mit Matt, als es noch friedlich war. Mittlerweile verlor PB seinen guten Ruf und immer mehr Kriminalität hielt Einzug. Saras Kollegen wurden auch immer öfter zu Einsätzen in dieses Gebiet gerufen. Es galt immer zunehmender als heruntergekommen und gefährlich. Viele Gangs aus anderen Stadtteilen nisteten sich hier ein und trieben ihr Unwesen – insbesondere nachts. Sie fluteten die Clubs und es kam immer häufiger zu Schlägereien. Es war eine Schande, dachte Sara im Vorbeifahren. Die lockere Surferatmosphäre musste allmählich einer Stimmung aus Alkohol, Drogen und Gangs weichen. Familien, die immer gerne herkamen, suchten nun Mission Beach oder oben Del Mar auf. Sara hatte oft das Gefühl, dass viele PB schon aufgegeben hatten und es den Trinkern, Dealern und Prostituierten überließen. Sie atmete tief ein und verließ PB. Für den Rest der Fahrt schaltete sie das Radio wieder ein, versank in Gedanken und näherte sich schließlich La Jolla. Als nach einer Kurve die Sonne direkt in ihr Gesicht schien, klappte sie die Sonnenblende runter.
Sie erreichte das Caulfield Anwesen und das große Tor kam ihr am helllichten Tag noch prachtvoller vor. Sie fuhr die imposante Auffahrt lang und näherte sich dem Rondell. Vor der Haustür waren mehrere Menschen versammelt. Ein Auto parkte vor der Haustür. Ein Mann lehnte an der Motorhaube, Sara sah ihn nur von hinten. Martha und Joseph standen in der Tür oben auf der Treppe. Patrick kam aus dem Haus, gab seiner Mutter einen Kuss auf die Wange. Joseph ignorierte er. Er ging zum Auto. „Los Dad, wir können starten.“ Beide stiegen ein. Das musste Patricks leiblicher Vater sein. Der vom Foto. Sara konnte nicht alles hören, obwohl sie ihr Fenster immer noch unten hatte. Aber von dem Zwillingsbruder war immer noch nichts zu sehen. Oder saß er im Auto? Sie konnte es nicht erkennen, das Licht reflektierte auf den Fensterscheiben. Sara parkte ihren Wagen. Da klingelte ihr Handy, es war Cruz. „Cruz, was gibt es?“ Cruz war ganz aufgeregt. „Sara, du glaubst es nicht. Wir haben etwas gefunden.“ Sara versuchte, ganz ruhig zu bleiben. „Was Cruz? Was habt ihr gefunden?“ Ihr Herz schlug schneller, Cruz holte Luft. „Wir haben das Ergebnis aus dem Labor. Die Spuren vom Tatort wurden ermittelt. Und jetzt halt dich fest. Neben den zu erwartenden DNA-Spuren von Matt, Noah, Hannah und sogar dir haben wir auch die DNA von einer völlig anderen Person gefunden. Und zwar im ganzen Haus. Auch in Noahs Zimmer. Eine Person, die da bestimmt nichts zu suchen hatte. Joseph Caulfield.“
Kapitel 36
Bryan schrie und trampelte um sein Leben. „Lass mich los. Hilfe!“ Er entwickelte eine Kraft, die ihn selber überraschte. Er konnte seinen Fuß aus den Händen des Entführers befreien, da dieser das Gleichgewicht auf den Stufen verlor. Bryan gab ihm sogar noch einen Tritt auf den Kopf mit – eher unabsichtlich, aber so gewann er Zeit. Er donnerte die Luke zu und rannte los. Es war hell draußen, das Licht blendete ihn. Er musste seit Tagen kein Sonnenlicht mehr gesehen haben. Er rannte trotzdem weiter, obwohl er erst nur Umrisse erkannte. Wo war er um Gottes Willen? Da war ein Haus, das erkannte er und noch etwas, ein kleineres Haus. Dann ein Waldstück. Er überlegte sekundenschnell, dann rannte er Richtung Wald, immer tiefer hinein.
Die Stille der Natur hüllte ihn plötzlich ein. Er sprang über Baumstümpfe und Äste, der Geruch von Erde umgab ihn wie eine dicke Wolke. Das Sonnenlicht fand vereinzelt den Weg durch die Baumkronen. Er konnte den Kerl plötzlich wieder hinter sich hören, er schrie nach ihm. Bryan hatte schreckliche Angst, lief aber weiter. Sein eigener Atem hämmerte. Das Unterholz wurde immer dichter, eine Wand von Bäumen schlug ihm entgegen. Er glaubte durch einen grünen Tunnel zu laufen. Zweige und Sträucher waren ihm im Weg, sein Gesicht war schon voller Kratzspuren. Er rannte und rannte. Überall Bäume und Büsche, seine Beine waren taub. Der Schweiß lief ihm das Gesicht herunter, seine Haare klebten an seinem Kopf. Hinter ihm wurde es immer stiller, glaubte er zumindest.
Hatte er den Kerl etwa abgehängt? Freude kam in ihm auf
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