Verschollen
beschlossen, dass auch wir gehen, denn es war vereinbart, dass nach spätestens zwei Wochen hiesiger Zeit eine Nachricht kommen sollte. Wir machen uns große Sorgen und wollen uns mit vereinten Kräften der Gefahr stellen, was auch immer es sein mag, denn das wissen wir nicht.
Nach dem Unfall Ihrer Kinder ist mir klar, dass Sie mehr als genug Sorgen haben, und Ihren Mann herbei wünschen, weil er Svenja womöglich helfen könnte, oder irgendeiner der anderen, wenn einer zurückkehrt. Doch ich kann Ihnen nicht sagen, wo sie sind und wann sie zurückkommen werden.
Es gibt aber eine Möglichkeit, die Sie in Betracht ziehen sollten. Tristan könnte uns folgen, sobald er aus dem Krankenhaus entlassen wurde, und versuchen wenigstens eine Nachricht von uns zurückzubringen. Es bleibt kein einziger Paladin mehr hier, die Knappen sind alle schon mit der letzten Gruppe gegangen und die übrigen Nachkommen sind zu jung. Tristan ist ja 16 Jahre alt, wenn ich mich recht entsinne, und damit alt genug, um ihn herüberzuschicken. Überlegen Sie es sich. Auf der zweiten Seite habe ich einige Erklärungen zusammengefasst, damit er nicht völlig unvorbereitet in die andere Welt kommt.
Ich wünsche Ihnen und vor allem Svenja alles Gute und hoffe, dass Sie Ihren Mann bald wiedersehen, womöglich noch bevor Sie diese Zeilen lesen.
Leben Sie wohl
Jessica Meyhoff
Tristan war vollkommen verwirrt. »Wovon redet sie? Andere Welt, Gefahr, Portal, Knappen?«
»Lies die zweite Seite«, sagte Mama nur. »Das erklärt einiges.«
Lieber Tristan,
ich bin Jessica, die Assistentin deines Vaters und ebenfalls ein Paladin. Ich weiß nicht, wie viel deine Mutter dir erklärt hat, habe aber auch nicht viel Zeit, daher hier nur das Nötigste.
Vor etwa 100 Jahren fand eine internationale Gruppe europäischer Archäologen unter den Grabbeigaben eines Pharaos ein Amulett. Auf dem Rückweg von der Ausgrabungsstätte wurde ihre Expedition von Grabräubern überfallen, die meisten Funde wurden gestohlen und die Archäologen retteten sich verwundet und erschöpft in die Wüste. Sie drohten zu verdursten, als aus dem Amulett – ein sogenanntes Portlet – ein Zylinder aus Licht auftauchte. Auf Rettung hoffend gingen sie hindurch und kamen in eine andere Welt – Nuareth. Genauer gesagt, die Insel Nasgareth.
Diese Welt ist der unseren sehr ähnlich, nur leben dort nicht nur Menschen, sondern auch fremdartige Geschöpfe, und alles ist auf dem Niveau des Mittelalters. Die Archäologen erkannten bald, dass sie in dieser Welt unbändige Kräfte hatten und Male erschienen auf ihrer Haut, mit denen sie Zauber wirken konnten, vor allem Heilzauber.
Doch es brach Streit aus, einige von ihnen wollten die Welt erobern, sie ausbeuten, andere betrachteten es als ihre Verantwortung, die andere Welt zu schützen und zu bewahren. Es kam schließlich zum Kampf, den nur drei überlebten, drei von denen, die Nuareth schützen wollten. Sie blieben lange dort, lernten ihre magischen Fähigkeiten zu nutzen, und bevor sie schließlich zurückkehrten, sprachen sie einen Zauber über das Portlet auf der anderen Seite, sodass nur noch ihre Nachkommen es durchschreiten können sollten.
Sie brachten das Portlet zurück nach Europa und besuchten Nasgareth immer wieder und ihre Nachkommen tun es bis heute. Dein Vater Darius ist nicht nur einer von diesen Paladinen, wie wir uns nennen, er ist auch unser Anführer.
Den restlichen Brief hatte sie nur noch eilig und in Stichpunkten hingekritzelt:
Schlüssel öffnet die verschlossenen Türen im Büro. Passende Kleidung, Nuareth noch immer Mittelalter
Zeit vergeht dort schneller, eine Woche dort ist etwa ein Tag hier
Heilkräfte halten bei längerem Aufenthalt ein paar Stunden nach Rückkehr aus Nasgareth auch hier, versierter Paladin kann Svenja helfen
Portlet in Abstellkammer. Leg es auf den Boden und schmiere einen Tropfen deines Blutes darauf
Geh Pfad bis Ende, Dorf, Taverne, Wirt Martin, kein Paladin aber einer von uns
Vernichte diesen Brief, wenn du nicht gehst.
Alles Gute
Jessica
Tristan sah seine Mutter lange an. Was er dort gelesen hatte, klang wie absoluter Unsinn, und doch … Plötzlich erinnerte er sich. Damals, als er sich den Arm gebrochen hatte. Der Arzt hatte gesagt es sei ein komplizierter Bruch, der Gips müsste wochenlang dranbleiben. Dann kam Papa und als ein paar Tage später kontrolliert wurde, war der Arzt total überrascht. Oder die Grippe, die er einmal einen Tag vor seinem
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