Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verschwunden

Verschwunden

Titel: Verschwunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda McLean
Vom Netzwerk:
waren in dem Vergnügungspark Achterbahn gefahren und hatten sich gegenseitig mit Zuckerwatte gefüttert.
    Doch das waren längst vergangene Zeiten. Lane wusste, dass man die Zeit nicht zurückdrehen konnte, sie wünschte nur, Michael würde das ebenfalls erkennen und sie endlich in Ruhe lassen.
    ***
    Sobald Lane in das Klassenzimmer trat, spürte sie, dass etwas nicht stimmte. Sie war schon immer sehr sensitiv gewesen, nicht hellsichtig oder so was, nein, doch sie erkannte eine schlechte Aura sofort. Und genau die umgab den hinteren Teil des Raumes.
    Sie stellte ihre Tasche auf das Pult und holte einen Stapel Zettel heraus. Nachdem sie ihre Klassen begrüßt hatte und Ruhe eingekehrt war, machte sie sich selbst daran, die Arbeitszettel zu verteilen, obwohl sie dazu sonst immer einen der Schüler auswählte. Sie wusste, wie begierig die Kleinen darauf waren, ihr zu helfen, und sie sah einige enttäuschte Gesichter. Doch sie wollte jemand Bestimmtes gern aus der Nähe sehen, unauffällig natürlich.
    Als sie sich Jeremy näherte, bekam sie einen Schreck. Sie sah bereits von zwei Metern Entfernung die Schwellung auf seiner rechten Wange.
„Jeremy, geht es dir gut?“, fragte sie, als sie an seinem Tisch angekommen war.
Der Kleine nickte nur leicht, sagte aber kein Wort.
    ***
    Es läutete, die Stunde war zu Ende. Lane hatte die ganze Zeit immer wieder zu Jeremy hinsehen müssen. Sie machte sich große Sorgen um ihn. Er war so ein winziges Geschöpf, ein wenig kleiner als die meisten anderen und auch ein wenig schmächtiger.
    „ Jeremy, kommst du bitte mal einen Moment zu mir?“, sagte Lane, als er an ihr vorbei in die Pause gehen wollte.
Er sah sie besorgt an, kam jedoch zu ihr an den Lehrertisch.
    Sie wartete, bis alle anderen aus dem Klassenzimmer raus waren und schloss dann die Tür.
„Setz dich doch einen Moment“, sagte sie und deutete auf den Lehrerstuhl. Sie dachte, vielleicht fände er es cool, einmal darauf sitzen zu dürfen und sie hätte einen Pluspunkt bei ihm.
    Lane selbst setzte sich auf die Tischkante. Sie sah sich Jeremy an. Er war ein wenig dunkelhäutig, nur leicht, und hatte schwarzes Haar. Er trug dieselben Sachen wie am Tag zuvor: eine alte Jeans mit Loch im Knie und einen dicken grünen Sweater, obwohl es draußen noch recht warm war.
    „ Jeremy, ich möchte nur kurz mit dir reden, ja? Dann kannst du gleich in die Pause gehen. Sag mal, gefällt es dir an unserer Schule?“
Sie musste ja irgendwie anfangen.
Jeremy nickte.
    „ Es gefällt dir also. Und hast du auch schon ein paar Freunde gefunden?“
Jeremy blieb still, nickte diesmal nicht einmal mit seinem Kopf. Es war Lane natürlich aufgefallen, dass er immer allein da saß, selbst in den Pausen und beim Mittagessen in der Cafeteria.
    „ Das ist schade, Jeremy. Es sind ein paar wirklich nette Kinder in der Klasse. Aber bei einigen Kindern dauert es ein wenig länger, bis sie Anschluss finden, das ist nicht schlimm. Vielleicht kann ich ja mal was für dich arrangieren, dich mit ein, zwei anderen bekannt machen.“
    Jeremy blieb still. Ganz ruhig saß er auf dem viel zu großen Stuhl und starrte auf seine Füße.
„Ich wollte dich noch etwas anderes fragen. Du hast da eine ziemlich schlimme Verletzung auf der Wange. Magst du mir sagen, wie das passiert ist?“
    Jetzt sah Jeremy auf.
„Ich bin ausgerutscht und gegen den Tisch gefallen“, sagte er.
Oh, er sprach. Doch irgendwie hörte sich seine Antwort ganz schön auswendig gelernt an.
    Lane stand jetzt auf und kam um den Tisch herum. Sie ging auf die Knie, um auf gleicher Höhe mit Jeremy zu sein, und sah ihm tief in die Augen.
„Jeremy, stimmt das auch wirklich? Du kannst mir ruhig die Wahrheit sagen, ich erzähle es auch bestimmt nicht weiter.“
    Da Jeremy noch immer auf den Boden starrte und nichts von sich gab, fügte sie hinzu: „Ich kann dir helfen, Jeremy. Sag mir doch, was los ist, sag mir, wer das getan hat. Ein Mitschüler? Ein Erwachsener? Du kannst mir vertrauen, Jeremy, es bleibt auch unser Geheimnis.“
    Jetzt endlich hob Jeremy seinen Kopf und blickte auf. Er sah sie direkt an und ein kleiner Schauder durchlief Lane. Da war etwas in seinem Blick … so etwas hatte sie noch nie zuvor gesehen. Sie hätte es auch nicht beschreiben können, es war nicht einmal tiefe Traurigkeit, es war mehr als das. Es schien wie absolute Hoffnungslosigkeit. Und das in den Augen eines Sechsjährigen zu sehen, machte ihr Angst.
    Jeremy sah sie so lange an, bis sie den Blick von ihm abwenden

Weitere Kostenlose Bücher