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Verschwunden

Verschwunden

Titel: Verschwunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda McLean
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Gardine bewegte sich und Lane konnte ein Gesicht dahinter ausmachen. Haley beobachtete sie. Und deshalb machte sie, dass sie verschwand. So schnell sie konnte.
    ***
    Lanes Beine zitterten auch noch, nachdem sie längst außer Sichtweite des Hauses war.
Kyle Reed hatte ihr Angst eingejagt. Das war ein Kerl, mit dem man nicht spaßen sollte. Er war furchteinflößend und sah so aus, als ob er schon Begegnung mit dem Knast gemacht hätte.
    Sie fühlte unglaubliches Mitleid mit dem kleinen Jeremy, in solch einem Heim aufwachsen zu müssen, mit solch einem Vater, auch wenn er ja sagte, er sei gar nicht sein Vater. Das machte die Sache wahrscheinlich umso schlimmer. Denn sie konnte sich nicht vorstellen, dass dieser Mann auch nur den Funken von Mitgefühl für Jeremy hatte.
    Sie war sich inzwischen ganz sicher, dass Jeremys Verhalten und die Verletzung im Gesicht etwas mit Kyle zu tun hatten. Und dann fielen ihr Dinge ein, vergangene Dinge, frühere Verletzungen, die Jeremy gehabt hatte. Das Schuljahr hatte erst vor zwei Monaten begonnen, doch er hatte neben dieser geschwollenen Wange bereits einen dicken Kratzer an der Stirn und einen Verband ums Handgelenk gehabt, angeblich eine kleine Verstauchung.
    Wieso war sie nicht früher aufmerksam geworden? Wachsam? Wieso hatte sie die Augen verschlossen? Oder war alles achtlos an ihr vorbeigegangen? Wie viele Kinder in ihrer Klasse, in ihrer Schule mussten Ähnliches durchmachen wie Jeremy?
Sie fühlte sich hilflos.

4
    Am nächsten Tag kam Jeremy nicht zur Schule.
    Lane hoffte nur, dass der Kleine jetzt keine Schwierigkeiten wegen ihr bekommen hatte. Was, wenn Kyle dachte, Jeremy hätte ihr etwas erzählt?
    Als Jeremy nach drei Tagen noch immer nicht wieder zum Unterricht gekommen war, rief sie die Reeds an. Es nahm keiner ab.
    Nachdem sie es den ganzen Tag lang immer wieder versucht hatten, ging am frühen Abend endlich Jeremys Mutter ans Telefon.
„Mrs. Reed, Jeremy ist seit drei Tagen unentschuldigt nicht zur Schule gekommen. Wir machen uns Sorgen. Geht es ihm gut?“
    „ Er hat die Grippe“, sagte Haley Reed knapp.
„Das tut mir leid zu hören. Beim nächsten Mal müssen Sie uns aber unbedingt darüber informieren, wenn er krank ist, damit wir wissen, dass ihm nichts zugestoßen ist.“
„Hören Sie, Miss, Sie sollten sich wirklich nicht einmischen in Dinge, die Sie nichts angehen.“
    War das eine Drohung?
„Jeremy ist einer meiner Schüler, da geht es mich schon etwas an“, versuchte Lane sich zu rechtfertigen.
„Ich sag Ihnen das jetzt nur einmal: Halten Sie sich raus! Machen Sie meinen Mann nicht wütend ...“
„Sonst passiert was?“
    Stille. Sehr lange. Dann legte Haley auf, ohne ein weiteres Wort.
    ***
    Sie wusste nicht, was sie tun sollte.
Als sie heute die Treppen ihrer Subway-Station – 7 Av Station – hinunterging, konnte sie an nichts anderes denken als an Jeremy.
Hoffentlich war ihm nichts Schlimmes passiert.
    Grippe! Das würde sie in hundert Jahren nicht glauben.
Sie beschloss, es noch einmal mit dem Jugendamt zu versuchen. Es war jedoch Freitag, sie musste sich also wohl oder übel bis zum Montag gedulden.
Sie hoffte jedoch sehr, dass Jeremy am Montag wohlbehalten wieder in die Schule kommen würde.
    Nachdem sie sich einen großen Vanille-Macchiato und einen Brownie gekauft hatte, setzte sie sich mit einer kuscheligen Wolldecke auf ihr mit weinrotem Stoff bezogenes Sofa.
    Noch immer gingen ihr nicht die Worte von Jeremys Mutter aus dem Kopf. Und es überkam sie auch noch immer ein Grausen, wenn sie nur an den Vater dachte.
Die Reeds, eine merkwürdige Familie. Die mussten doch schon mal aufgefallen sein. Dem Jugendamt, der Polizei, wem auch immer.
    Soweit sie wusste, war Jeremy das einzige Kind der Familie. Und er war erst vor Kurzem eingeschult worden. Wahrscheinlich waren sie bisher niemandem verdächtig geworden. Doch die Art, wie sie ihr gedroht hatten, musste doch irgendetwas bewirken.
    Sie dachte daran, zur Polizei zu gehen. Aber die würden sie wahrscheinlich nur auslachen. Was hatte man ihr schon Schlimmes angetan? Sie weggescheucht und ihr gesagt, sie solle sich fernhalten. Da würden die bestimmt nicht mit einem Aufgebot von Streifenwagen bei den Reeds vorfahren.
    Sie beschloss, das Wochenende abzuwarten und am Montag zu entscheiden, was sie tun wollte. Vielleicht hatte Jeremy ja wirklich nur die Grippe. Sie musste unbedingt mit ihm sprechen.
    ***
    Nach einem Wochenende mit mehreren gelesenen Büchern und einigen angesehen DVDs, viel

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