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Verschwunden

Verschwunden

Titel: Verschwunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda McLean
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was sie erwartete?
    Am Vormittag, während sie in ihrem Klassenzimmer gesessen hatte, hätte sie es sich beinahe noch anders überlegt, die ganze Sache abgeblasen. Ein dummer Plan. Sie war doch keine Sozialarbeiterin!
    Aber dann hatte sich Jeremy so gedreht, dass sie deutlich seine Wange sehen konnte. Die war inzwischen nicht mehr rot, sondern tieflila. Und da hatte sie es gewusst: Sie musste etwas tun! Sie durfte nicht die Augen davor verschließen, und wenn sie die Einzige war. Vielleicht war sie Jeremys einzige Rettung.
    Lane stieg die Stufen langsam hinauf und es machte sich wieder ein Gefühl in ihr breit – dieses Gefühl, dass etwas ganz und gar nicht richtig war. Eine grauenerregende Aura umfing dieses Haus. Ihr schauderte.
    Den rechten Zeigefinger auf dem Klingelknopf, drückte sie ihn und ein Läuten erklang.
Kurz darauf hörte sie Schritte und eine Frau erschien an der Tür. Es war Jeremys Mutter, Haley Reed, sie hatte sie erst einmal zuvor gesehen, an einem Elternabend.
    „ Guten Tag, Mrs. Reed, ich bin Lane Downey, Jeremys Klassenlehrerin, erinnern Sie sich an mich?“
Die Frau sah sie mit großen Augen an.
„Ich weiß, wer Sie sind. Was wollen Sie?“
    So, wie sie es sagte, war klar, dass Lane hier nicht willkommen war.
„Es geht um Jeremy, ich muss dringend mit Ihnen reden. Darf ich einen Moment reinkommen?“
„Ich glaube, besser nicht“, sagte Mrs. Reed und wollte die Tür schon wieder zumachen.
    Lane schaltete schnell und stellte einen Fuß zwischen die Tür.
„Was soll das? Ich muss nicht mit Ihnen reden, wenn ich nicht will“, sagte Jeremys Mutter jetzt mit einem Blitzen in den Augen.
„Es ist wirklich wichtig!“, sagte Lane. „Wenn Sie mich nicht hereinbitten wollen, könnten Sie dann vielleicht für einen Moment rauskommen?“
    Die Frau sah Lane lange an, dann ließ sie die Tür los und sagte: „Warten Sie!“
Sie verschwand ins Innere und ließ Lane draußen stehen.
Einen Moment lang überlegte Lane, ob sie ihr einfach ins Haus folgen sollte, die Tür stand schließlich offen. Doch das wäre Hausfriedensbruch, und sie wollte keinen Ärger bekommen.
    Nach einer gefühlten Ewigkeit erschien ein Mann an der Tür, den Lane noch nie gesehen hatte. Er war ziemlich groß, hatte nur noch wenig Haare auf dem Kopf für einen Mann in seinem Alter – er konnte nicht älter als Ende dreißig sein – und tätowierte Arme.
    „ Ja? Was wollen Sie?“ Er öffnete die Tür jetzt ganz und baute sich im Rahmen auf.
„Mr. Reed?“
„Der bin ich!“
„Ich bin Miss Downey, Jeremys Klassenlehrerin ...“
„Ist mir schon klar, wer Sie sind, was wollen Sie, hab ich gefragt!“, unterbrach er sie.
    „ Ich möchte mit Ihnen über Ihren Sohn sprechen.“
„Der kleine Scheißer ist nicht mein Sohn!“
„Oh, Entschuldigung, ich dachte ...“, stotterte Lane und strich sich nervös ihre blonden Haare hinters Ohr. Sie konnte nur auf den tätowierten Skorpion auf seinem linken Unterarm starren.
„Sehen Sie nicht, wie dreckig er ist?“
    „ Wie bitte?“ Sie verstand nicht recht.
„Na, ein kleiner Nigger ist das, das sieht man doch. Meine Schlampe von Frau hat mit `nem anderen rumgemacht. Mein Sohn ist der ganz bestimmt nicht!“
„Gut, also … auf jeden Fall … würde ich gern über die Verletzung in seinem Gesicht mit Ihnen sprechen.“
    „ Er ist gegen den Tisch geknallt, kann doch mal passieren.“
„Da sind auch noch andere Auffälligkeiten, z.B. ist er über die Maßen still, in sich gekehrt. Er hat in der Schule keine Freunde ...“
„Der braucht keine Freunde, lenkt ihn nur vom Lernen ab. Wo ist das Problem, Miss ...“
„Downey“, half Lane ihm weiter.
„Miss Downey !“
    Ihr gefiel gar nicht, wie er ihren Namen aussprach, es klang bedrohlich.
„Ich würde gern, ich meine ...“
„Was wollen Sie eigentlich hier? Ein kleiner Kratzer und Sie machen gleich ein riesen Drama daraus. Oder wollen Sie hier irgendwem was unterstellen?“
„Nein, ich hatte mir nur Sorgen gemacht. Und ich dachte, ich schaue mal vorbei, bevor das Jugendamt das tut.“
    Jetzt lachte er gehässig.
„Das Jugendamt? Machen Sie sich nicht lächerlich, Miss Downey. Wenn irgendwas wäre, wären die längst hier.“
„Kyle?“, hörte Lane die Stimme seiner Frau nach ihm rufen.
„Es gibt hier bei uns absolut kein Problem. Nun machen Sie, dass Sie verschwinden! Und lassen Sie uns in Ruhe, sonst …!“
    Lane stand noch immer sprachlos da, auch noch nachdem Kyle Reed ihr die Tür vor der Nase zugeknallt hatte.
Eine

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