Verstand und Gefühl
Welt
ihnen
hinterlassen hätte, wenn es ihm nur möglich gewesen wäre.«
Dieses Argument war übermächtig. Es gab ihm die Entschlußkraft, an der es ihm zuvor gemangelt hatte; und er entschied am Ende, daß es absolut unnötig, wenn nicht gar höchst unschicklich wäre, mehr für die Witwe und die Kinder seines Vaters zu tun als solche nachbarlichen Hilfeleistungen, wie seine Gattin sie genannt hatte.
|17| Kapitel 3
Mrs. Dashwood blieb mehrere Monate in Norland, doch tat sie das keineswegs, weil sie abgeneigt war, fortzuziehen, als der Anblick jedes wohlbekannten Fleckchens mit der Zeit nicht mehr so heftige Gefühle hervorrief, wie dies eine Zeitlang der Fall war; denn als ihre Lebensgeister allmählich wieder erwachten und sie wieder zu anderen Gedanken als zur Steigerung ihres Kummers durch schmerzliche Erinnerungen imstande war, wünschte sie ungeduldig, fortzukommen, und war unermüdlich in ihren Erkundigungen nach einem geeigneten Wohnsitz in der Nachbarschaft von Norland. Denn weit von diesem geliebten Ort fortzuziehen, war ihr unmöglich. Doch sie konnte kein Haus in Erfahrung bringen, das ihren Vorstellungen von Bequemlichkeit und Ruhe sofort entsprochen und der Umsicht ihrer ältesten Tochter zugesagt hätte, deren solideres Urteil mehrere Häuser als zu groß für ihr Einkommen zurückwies, die ihre Mutter gutgeheißen hätte.
Mrs. Dashwood war von ihrem Gatten von dem feierlichen Versprechen seines Sohnes, sie zu unterstützen, unterrichtet worden, das seinen letzten Gedanken auf Erden Trost gab. Sie zweifelte so wenig an der Aufrichtigkeit dieser Versicherung, als er es selbst getan hatte, und sie dachte um ihrer Töchter willen mit Genugtuung daran, wenngleich sie für sich selbst überzeugt war, daß sie mit viel weniger als siebentausend Pfund reichlich versorgt sein würde. Auch um ihres Stiefsohnes und seines guten Herzens willen freute sie sich; und sie machte sich Vorwürfe, daß sie ihn vorher so ungerecht eingeschätzt hatte, da sie ihn jeglicher Großzügigkeit für unfähig hielt. Sein aufmerksames Verhalten ihr und seinen Schwestern gegenüber überzeugte sie, daß ihm ihr Wohlergehen |18| am Herzen lag, und lange Zeit vertraute sie fest auf die Großzügigkeit seiner Vorsätze.
Die Verachtung, die sie schon in einem sehr frühen Stadium ihrer Bekanntschaft für ihre Schwiegertochter empfunden hatte, steigerte sich noch beträchtlich, als sie deren Charakter während des halben Jahres ihres Aufenthaltes in der Familie noch besser kennenlernte. Und trotz aller Rücksicht auf Höflichkeit oder mütterliches Wohlwollen seitens Mrs. Dashwoods hätten es die beiden Damen vielleicht unmöglich gefunden, so lange miteinander zu leben, wäre nicht ein besonderer Umstand eingetreten, der nach Meinung von Mrs. Dashwood das weitere Verbleiben ihrer Töchter in Norland noch wünschenswerter machte.
Dieser Umstand war eine wachsende Zuneigung zwischen ihrer ältesten Tochter und dem Bruder Mrs. John Dashwoods, einem vornehmen und einnehmenden jungen Mann, dessen Bekanntschaft sie bald nach dem Einzug seiner Schwester in Norland gemacht hatten und der seitdem den größten Teil seiner Zeit dort verbracht hatte.
Einige Mütter hätten diese Vertrautheit vielleicht aus eigennützigen Motiven unterstützt, denn Edward Ferrars war der älteste Sohn eines Mannes, der sehr reich gestorben war; andere wiederum hätten sie möglicherweise aus Gründen der Vernunft unterbunden, denn außer einer geringfügigen Summe hing sein gesamtes Vermögen vom Testament seiner Mutter ab. Doch Mrs. Dashwood war von beiden Überlegungen gleichermaßen unbeeinflußt. Es genügte ihr, daß er liebenswürdig zu sein schien, daß er ihre Tochter liebte und daß Elinor seine Zuneigung erwiderte. Es widersprach all ihren Grundsätzen, daß unterschiedliche Vermögensverhältnisse ein Paar trennen sollten, das sich durch die Ähnlichkeit der Neigungen zueinander hingezogen fühlte; und daß Elinors Vorzüge nicht von jedem, der sie kannte, gewürdigt werden könnten, war nach ihrem Verständnis unmöglich.
Edward Ferrars empfahl sich ihrer guten Meinung nicht durch einen besonderen Charme in seinem Äußeren oder Benehmen. Er sah nicht besonders gut aus, und seine Umgangsformen |19| bedurften der Vertrautheit, um sie angenehm zu machen. Er war zu schüchtern, um seine Vorzüge geltend zu machen; doch wenn er seine natürliche Zurückhaltung überwand, ließ sein Verhalten alle Anzeichen eines offenen und
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