Verstehen Sie das, Herr Schmidt? (German Edition)
Was sagt uns das über die amerikanische Gesellschaft?
Es zeigt, dass auch die amerikanische Demokratie anfällig ist für Dummheiten, sogar für Gemeinheiten. Und dass sie womöglich anfällig ist für Verbrechen.
Sie waren ein paar Monate lang krank. Wie geht es Ihnen jetzt?
Jedenfalls nicht besser als im Durchschnitt anderen Leuten, die neunzig Jahre alt sind.
Das birgt auch ein bisschen Hoffnung.
Hoffnung ist eigentlich nicht mein Fall.
Was heißt das?
Man muss es nehmen, wie es kommt. Das heißt es.
24. September 2009
Die neue Regierung, der Störfall Sarrazin und einige Erinnerungen an den 9. November
November 2009. Nach den »kürzesten Koalitionsverhandlungen, die es jemals gegeben hat« (Ronald Profalla) nimmt die schwarz-gelbe Regierung ihre Arbeit auf. Die SPD, bei den Wahlen im September auf 23 Prozent abgestürzt, muss sich nicht nur mit der neuen Oppositionsrolle auseinandersetzen, sondern auch mit Thilo Sarrazin. Seine Äußerungen im Interview mit der Kulturzeitschrift »Lettre International« über »kleine Kopftuchmädchen« und »türkische Wärmestuben« spalten die öffentliche Meinung. In Berlin und anderswo wird der zwanzigste Jahrestag des Mauerfalls gefeiert.
Lieber Herr Schmidt, haben Sie eine Vorstellung davon, was die neue Regierung will?
Das ist ganz schwer zu sagen. Auf jeden Fall sind CDU, CSU und FDP von dem Willen erfüllt, zu regieren: Alle drei denken, dass es gegen die göttliche Ordnung verstößt, wenn Sozialdemokraten an der Macht sind. Ansonsten tönt Schwarz-Gelb laut von Steuererleichterungen, und wenn Sie sich den Koalitionsvertrag, dieses monstrum simile mit seinen …
… 124 Seiten …
… 124 Seiten und 6000 Zeilen, genauer anschauen (holt das Papier unter einem Stapel anderer hervor), dann ist da von Entlastung des Mittelstandes und der Wirtschaft die Rede. Im ersten Kapitel, »Wohlstand für alle«, werden auch »goldene Regeln« aufgeführt, hier haben wir es gleich (blättert). Da steht in Gänsefüßchen: »Folgende ›goldenen Regeln‹ sind einzuhalten.« Diese Regeln sind zum Teil neu erfunden. Mir ist das recht, was die Koalition da schreibt, etwa in Zeile 557: »Das Ausgabenwachstum muss unter dem Wachstum des Bruttoinlandsproduktes (real) liegen.«
Soll wohl eine Art Kostenbremse sein.
Das bedeutet eine Beschneidung der Ausgaben. Das durchzusetzen wird unangenehm sein, und es widerspricht dem allgemeinen Versuch, sich dem Volk angenehm zu machen. Das wird hier versteckt. Die nächste Regel in Zeile 559 ist da schon deutlicher: »Alle Maßnahmen des Koalitionsvertrages stehen unter Finanzierungsvorbehalt.«
Immerhin enthält dieser Koalitionsvertrag einige Ankündigungen, die man in dieser Deutlichkeit nicht erwartet hatte: einen Systemwechsel in der Steuer- und in der Gesundheitspolitik zum Beispiel.
Sofern die Ankündigungen realisiert werden, stimmt das. Aber Sie sehen gerade bei einer anderen Regierung, nämlich bei Obama, dass vor der Wahl große Reden gehalten werden, die Verwirklichung der Versprechen dann aber weit hinterherhinkt. Das ist normal, und das wird in Deutschland ähnlich sein. Ich bin nicht übermäßig optimistisch.
Die Bundeskanzlerin steht im Zenit ihrer Macht. Sie könnte jetzt auch eine Menge gestalten.
Frau Merkel hat in den Jahren, in denen sie in der Politik ist, gewaltig hinzugelernt, und sie hat das Amt eines Bundeskanzlers zweifellos sehr ordentlich ausgefüllt. In einem Punkt muss ich sie ausdrücklich loben, ich tue das gerne noch mal, weil mir das wichtig ist: Dank ihres Zusammenspiels mit Herrn Steinbrück waren die Deutschen wesentlich daran beteiligt, dass im Herbst des Jahres 2008, als wir unmittelbar vor dem Absturz in eine Weltdepression mit weltweit 150 Millionen Arbeitslosen standen, alle vernünftig reagiert haben. Nicht bloß die Europäer und die Nordamerikaner, sondern auch die Chinesen, die Russen, auch die Japaner und Inder. Dergestalt wurde die Weltdepression vermieden. Das hat es in der ganzen Weltgeschichte noch nicht gegeben.
Bevor Sie Bundeskanzler wurden, haben Sie viele Erfahrungen als Minister gesammelt. Jetzt sitzen dort die zwei Youngster Guttenberg und Rösler, beide in den Dreißigern, die mit dem Verteidigungs- und dem Gesundheitsministerium wichtige Ressorts leiten. Kann man in dem Alter schon solch wichtige Aufgaben bewältigen?
Ich habe mich zeit meines politischen Lebens mit Franz Josef Strauß gestritten, obwohl ich durchaus Respekt vor seiner Persönlichkeit hatte. Als
Weitere Kostenlose Bücher