Versuchung des Blutes - Cole, K: Versuchung des Blutes
gelebt, nur sie beide, nachdem Maris Vater, der Hexenmeister, sie verlassen hatte, mit nichts als dem fröhlichen Versprechen, bald wieder da zu sein.
Doch an Maris zwölftem Geburtstag hatte Jillian ihre Siebensachen gepackt und ihre Tochter nach Andoain gebracht. Dort hatte sie ihre Arme ausgebreitet und verkündet, dies sei jetzt Maris „neues Zuhause“. Mari war die Kinnlade heruntergeklappt und sogleich in die entgegengesetzte Richtung davongerannt, schneller noch, als sie dem Wagen des Eismanns hinterrennen konnte, und selbst dann könnte man schon meinen, ihr seien die Heerscharen der Hölle auf den Fersen.
Zwei Tage lang war ihre Mutter mit ihr dort geblieben. Dann hatte sie sich aus Maris klammernder Umarmung gelöst und sie laut heulend auf der Veranda stehen gelasse n – um sich ihren Studien zu widmen, auf einer geheimen Insel der Druiden irgendwo in Europa. Im Lauf der Jahre hatte Mari hin und wieder einen Brief erhalten, angeblich von ihrer Mutter, aber sie hegte den Verdacht, in Wahrheit habe Elianna sie geschrieben.
Ohne Elianna und ihre beste Freundin, Carro w – das schwarze Schaf des Koven s – , hätte Mari die ersten beiden Monate sicherlich nicht überstanden, als sie in eine Welt eingetaucht war, in der es nichts als Hexerei gab. Gott, wie sie ihre Freunde jetzt vermisst e …
Die wunderschöne Carrow mit ihren rabenschwarzen Haaren hielt es für das Beste auf der ganzen Welt, eine Hexe zu sein. Wann immer andere Mythenweltgeschöpfe wie die Nymphen oder Satyrn ihre Nase über die garstigen Hexen rümpften, hob Carrow ihre beiden zum Teufelsgruß geformten Händ e – bei der kleiner und Zeigefinger wie Hörner von der Faust abgespreizt wurde n – und schrie: „ Doppelt plagt euch, mengt und misch t – euch Ärsche hat mein Fluch erwischt! Hey, ihr Wichser! Ihr wurdet soeben verflucht! “
Und dann verfluchte sie sie tatsächlich.
Carrow gehörte zu den seltenen Drei-Kasten-Hexen, obwohl sie vor allem eine Kriegerin wa r – mit dem etwas unpassenden Fachgebiet Liebeszauber. Die wilde Carrow hätte eigentlich zusammen mit Mari an der Tour teilnehmen sollen, aber dann wurde sie während des letzten Mardi Gras wieder einmal wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses verhaftet. Dabei hatte die arme Carrow nur eine wenig verbreitete Moderegel angewende t – solange man Perlen trägt, ist man nicht nackt –, aber die Koven hatten sich geschworen, dass sie ihr beim nächsten Vergehen nicht wieder aus der Patsche helfen würden.
Carrow war also zurzeit im Knast. Oder wahrscheinlich schon wieder draußen.
Und Mari sehnte sich danach, Elianna wiederzusehen, die die beste Ersatzmutter war, die man sich vorstellen konnte. Obwohl Elianna von ihrer Hexenmutter die Gabe der Unsterblichkeit vererbt bekommen hatte, verdankte sie es ihrem menschlichen Vater, dass ihr Alterungsprozess trotzdem immer weiter fortschritt. Die gutherzige, gelegentlich etwas verwirrte Elianna war über vierhundert Jahre alt, und ohne ihren Verjüngungszauber sah man ihr jede einzelne Minute davon an. Sie sagte oft spaßeshalber, dass selbst alles Training der Welt einer Sonnenanbeterin nicht helfen könnte.
Mari hoffte, dass sie sich nicht zu viel um sie sorgte …
„Mariketa, es ist so weit!“ Rydstroms Stimme klang zu ihr hinauf und unterbrach ihren Gedankengang. „Du musst das jetzt tun!“
Bowes einziges Auge öffnete sich langsam, als ihn der vage Eindruck überkam, dass er nicht mehr allein war. Dass es zum ersten Mal seit Wochen nicht nur ihn und die Schlange gab.
„Lachlain?“, stieß er mit rauer Stimme hervor. Er blinzelte und versuchte sich zu konzentrieren.
„Aye, Bowe, ich bin’s“, sagte sein Cousin. Er kniete sich neben ihn, und sein Blick streifte Bowes Verletzungen. Bowe wusste, dass er entsetzt war, aber Lachlain verbarg seine Gefühle gut und sagte nur: „Ich bring dich nach Hause.“ Dann half er ihm auf die Beine.
Bowes Geruchssinn war ruiniert, in der Hitze und dem durchdringenden Rauch so gut wie vollständig weggebrannt, aber er war immer noch in der Lage, einen Vampir zu wittern. Er riss sich von Lachlain los und stürzte sich auf die schemenhafte Gestalt hinter ihnen.
Wroth, dieser eiskalte Bastard, translozierte sich einfach zur Seite, und Bowe stürzte taumelnd zu Boden. Sein ganzes Sammelsurium an Wunden öffnete sich wieder, und das Blut strömte nur so heraus.
Lachlain griff erneut nach ihm. „Verdammt noch mal, Bowe, willst du sterben? Er hat mich hergebracht, um dich
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