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Versuchung

Versuchung

Titel: Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliane Maibach
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Gesichtern zudem
Angst und Sorge lagen.
      Was man wohl aus
Meinem lesen konnte? Sorge würde man darin sicher auch finden, doch aus einem
ganz anderen Grund. Es verging kein Tag, an dem ich nicht an Night dachte. Ich
konnte ihn noch immer nicht mit diesem anderen Namen ansprechen … Devil. Für
mich war er kein Teufel und würde es auch nie sein. Inzwischen konnte ich wenigstens
nachvollziehen, warum er nach Incendium zurückgegangen war. Es musste
schrecklich gewesen sein, sich immer verstecken zu müssen. Stets in der Angst zu
leben, entdeckt zu werden. Und dennoch … ich verstand es, konnte es aber nicht
akzeptieren. Ich sehnte mich so sehr nach Night und hätte alles dafür gegeben,
um bei ihm sein zu können, sein warmes Lächeln wiederzusehen und seinen tiefen
Blick zu spüren.
      „Es ist eine ganz
schön seltsame Stimmung hier, findet ihr nicht?“, fragte Thunder.Wie schon am Ende der Sommerferien, so hatten
Céleste, Shadow und ich uns auch vor zwei Tagen bei ihr zu Hause getroffen und
waren dann zusammen hierher zurückgekehrt.
      „Kein Wunder. Viele
sehen keinen Sinn mehr darin, weiter zur Schule zu gehen. Sie folgen lieber den
Aufrufen der Radrym und der Regierung und schließen sich deren Armeen an“,
fügte Shadow erklärend hinzu.
      „Und manche glauben,
dass das Ende der Welt kurz bevorsteht“, fügte Céleste hinzu.
      „Viele Schulen wurden
bereits geschlossen“, fuhr Thunder fort. „Ich bin aber froh, dass Herr Seafar
sich dagegen entschieden hat.“
      „Lasst uns erst mal
auspacken und danach was essen gehen. Ich hab langsam Hunger“, sagte Shadow und
wir folgten ihr in Richtung Treppe.
     
    Als wir auf unserem
Zimmer ankamen, stellte ich meinen Koffer ab und legte mich erst mal aufs Bett.
Die anderen packten eifrig ihre Taschen aus, doch ich konnte das jetzt einfach
nicht. Es befanden sich noch immer ein paar von Nights Sachen in meinem Schrank
und ich fürchtete all die Erinnerungen, die bei ihrem Anblick bestimmt wieder
in mir hochkämen.
      Es hatte lange
gedauert, bis ich gelernt hatte, den Schmerz in mir einigermaßen auszuhalten. Seitdem
fühlte ich eine stete Leere, die zwar nicht angenehm war, aber wenigstens nicht
alles in mir zu zerreißen drohte. Ich wollte nicht darüber nachdenken, wie es
weitergehen sollte. Im Moment zählte nur, einen Tag nach dem anderen zu
überstehen.
      Meine Freundinnen
blickten, während sie ihre Kleidung im Schrank verstauten, immer wieder kurz zu
mir, sagten jedoch nichts. Sie ahnten wohl, wie schlecht es mir ging, und
stellten darum keine Fragen.
      Ich sah ihnen mit
abwesendem Blick zu. Mein Herz fühlte sich so taub und kalt an … wie im Grunde
alles in mir. Ich war nicht mehr ich selbst. Bei Nights Verschwinden war ein
Teil von mir zerbrochen und ich war mir nicht sicher, ob er je wieder repariert
werden konnte. Ich funktionierte, sprach und tat das, was eben gesagt und getan
werden musste, doch ich fühlte nichts mehr dabei, so als wäre nur noch eine
leere Hülle von mir übrig. Das Schlimme daran war, dass es mich nicht kümmerte.
Mir war es egal, ob ich je wieder die sein würde, die ich mal gewesen war.
      Lediglich in meinen
Träumen kehrten meine Gefühle zurück, denn hier konnte ich Night nahe sein und
das tiefe Glück spüren, das ich immer empfunden hatte, wenn ich mit ihm
zusammen gewesen war. Das Erwachen am nächsten Morgen war dafür natürlich umso schwerer
zu ertragen.
      „So, fertig! Alles
wieder verstaut. Wie sieht’s aus, wollen wir mittagessen gehen?“, fragte
Thunder in die Runde und riss mich damit aus meinen Gedanken.
      Essen … noch etwas,
das zu einer Nebensache geworden war. Doch ich nickte, rappelte mich vom Bett
auf und machte mich zusammen mit den anderen auf den Weg.
     
    Die Cafeteria wirkte ziemlich
verlassen. Eine überschaubare Zahl an Schülern stand an der Essensausgabe, einige
saßen bereits an den Tischen. Kein Vergleich zu früher.
      „Hier ist es ja fast
wie ausgestorben“, meinte Thunder und sah sich um.
      „Vielleicht haben
einige jetzt noch keinen Hunger oder kommen erst später an die Schule zurück“, versuchte
Céleste, uns Hoffnungen zu machen. Thunder sah sie jedoch zweifelnd an.
      „Das glaubst du
doch selbst nicht.“
      Wir gingen weiter,
füllten unsere Teller und setzten uns an einen der vielen freien Tische, auf
denen jeweils eine aktuelle Ausgabe der Tageszeitung lag. Ich begann, langsam
zu essen, während Thunder sich ein Exemplar nahm und die

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