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Versunkene Gräber: Kriminalroman (German Edition)

Versunkene Gräber: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Versunkene Gräber: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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zurück. Dies ist das einzige Angebot zur Zusammenarbeit, das Sie jemals von mir erhalten werden. Ich würde Ihnen raten, es anzunehmen.«
    »Sind Sie von allen …?«
    »Und ich sage Ihnen noch etwas: Frau Hoffmann ist unschuldig. Das werde ich beweisen. Sie haben aufs falsche Pferd gesetzt. Bevor Sie noch mehr Porzellan zerschlagen, freunden Sie sich lieber mit dem Gedanken an, dass ich derjenige bin, mit dem Herr Zieliński reden wird. Mit Ihnen hat er das bisher nicht getan, oder?«
    Ich hörte, wie sie scharf einatmete. Wahrscheinlich hatte ich sie an den Rand der Weißglut getrieben. Sie war eine unerfahrene Anwältin, aber eine taffe, intelligente Frau. Das Kräftemessen hätte mir Spaß gemacht, wenn es dabei nicht um die Köpfe von zwei Freunden gegangen wäre.
    »Gut. Ich komme. Geben Sie mir eine Viertelstunde Zeit.«
    »Mit Vergnügen.«
    Ich legte auf und suchte mir einen Parkplatz gegenüber der Justizvollzugsanstalt von Poznań.

Johannishagen im April 1945
    Rosa, lieb Röschen mein,
    hast du meine Briefe bekommen? Ich schreibe dir jeden Tag beim Schein der Kerzen hier unten in der Kälte. Sie stapeln sich unter der Kiste, »unserer Kiste«, und jedes Mal, wenn ich mit der Hand über das rissige Holz fahre, weiß ich, es ist noch nichts verloren.
    Magda pfeift wie ein Zeisig, bevor sie die halb verschütteten Treppen nach unten schleicht, damit ich mich nicht erschrecke. Wenn jemand kommt und nicht pfeift, so sagt sie, solle ich beten, denn das ist niemand, der es gut mit mir meint … Ach, lieb Rosa, beten tue ich, den lieben langen Tag und die noch längeren Nächte. Die Zeit vergeht unendlich langsam. Manchmal glaube ich Stimmen zu hören. Deine Stimme, lieb Rosa, wie du fröhlich singend durchs Haus läufst, die Kinder an deinem Schürzenband … »Hand in Hand geh’n wir zwei durch die schöne Welt, und die Sonne lacht hinter uns her, weil die eine dem andern so gut gefällt, freut uns beide das Dasein so sehr …«
    Ich muss weinen, mein Lieb. Immer, wenn ich glaube, deine Stimme zu hören. Manches Mal träume ich von dir und fühle deine kühle Hand tröstend auf meiner Stirn. Dann weiß ich, dass du bei mir bist, auch wenn mir jede Nachricht von euch fehlt und mich die Sorge um euer Wohl fast umbringt. Doch ich schreibe auch, jeden Tag einen Brief. Vier sind es wieder geworden, seit Magda das letzte Mal hier unten war. Ich habe Angst, sie kehrt eines Tages nicht wieder. Jedes Mal bekommt sie eine Kleinigkeit von mir. Wir spielen beide Scharade. Ich gebe ihr einen Goldring oder einen hübschen Anhänger, sie bringt die Briefe zur Post und kauft auf dem Schwarzmarkt einen Kanten Brot und eine Handvoll Kartoffeln für sich und mich. Meinen Anteil kocht sie, und ich muss mir die kleinen, kalten Knollen einteilen, ohne zu wissen, wann sie wiederkommt. Noch habe ich vierzehn Schmuckstücke. Noch ist also Zeit. Doch habe ich Angst, dass die kleinen Schätze nicht genug sein könnten, um sie ein weiteres Mal bei Nacht aus dem Haus zu locken. Sie sagt, sie riskiert Leib und Leben für mich. Vielleicht auch für den Schmuck, aber ohne ihn würden wir beide verhungern. Nur was geschieht, wenn das letzte Kleinod aus meiner in ihre Hand gewandert ist?
    Dann wäre ich ganz allein. Du wunderst dich, mein Lieb, dass dein Walther so verzagt klingt? Dass du ihn gar nicht mehr kennst, den fröhlichen Burschen mit den blitzenden Augen, der, wenn er vom Weinfest in Grünberg zurückkam, den Gehstock in die Ecke geworfen und dich auf Händen durch die Luft gewirbelt hat … Ich bin ein Schatten, mein Lieb, ein Gespenst. Ich weiß nicht, welche Nachricht dich aus der Neumark und Schlesien erreicht – die Gebiete unterstehen bereits der polnischen Zivilverwaltung, auch wenn im Reich wohl tapfer gekämpft wird. Es wird nicht aller Tage Abend sein. Mit dieser Gewissheit versuche ich mich zu trösten.
    Magda hat mir von den Jaschkes erzählt, die zurückgekommen sind. Ihr Vieh verstreut in den Wäldern, im Haus wohnen Fremde, und die Jaschkes wussten nicht wohin und sind nach Vietz, wo sie unter der Bahnhofsbrücke schlafen und auf ein Wunder warten, vielleicht auch auf den Endsieg. Es ist ein Kommen und Gehen, oft gegen den Strom, sagt sie, sodass das Durcheinander vor allem hier, vor der Oder, wo alles sich staut, ins Unermessliche steigt. Magda ist in meinem Hades die einzige Verbindung zur Oberwelt. Fast scheint es mir, als hätte sich dieser Tage die Erde um einhundertachtzig Grad gedreht. Was oben, ist

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