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Versunkene Gräber: Kriminalroman (German Edition)

Versunkene Gräber: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Versunkene Gräber: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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Grunewald, links die großen, schönen Häuser der Gründerzeit.
    »Es ist ja nur für ein Wochenende.«
    Meine Hände krampften sich ums Lenkrad. Ich war für solche Auseinandersetzungen nicht geschaffen. Mit meiner Mutter kam ich klar. Sie war sofort einverstanden gewesen, raus ins Grüne zu kommen. Marmorbad. Vollpension. Room Service. Boxspring-Bett. Pool im Keller. Yoga gegen Osteoporose. Erst als herauskam, dass es sich nicht um ein Hotel, sondern um eine Seniorenresidenz handelte, hatte ihre Begeisterung schlagartig abgenommen.
    »Ihr müsst euch bloß mit den anderen ein bisschen gut stellen und diese Krystyna um den Finger wickeln. Alle dort haben den alten Hagen noch gekannt. Es gibt kein anderes Gesprächsthema außer Krankheiten. Also wird Hagen geredet haben, oder man hat über ihn geredet. Wenn euch irgendetwas erzählt wird, das vielleicht merkwürdig klingt, dann meldet euch. Hier.«
    Ich reichte meiner Mutter eines der beiden neuen Handys. Sie nahm es, drehte es, musterte es, als wäre es eine Handgranate und könnte jeden Moment explodieren.
    »Du kennst dich doch aus mit den Dingern. Oder?«
    »Mir hat mein altes Telefon immer gereicht«, sagte sie mit dünner Stimme.
    Dann klappte sie ihre Handtasche auf, ließ es hineinfallen und holte ein Taschentuch hervor. Bestickt. Sie knüllte es zusammen und tupfte sich die Nase ab. Aber mich konnte sie nicht täuschen. Sie heulte nicht. Sie tat nur so.
    »So eins hast du ihm übrigens geschenkt.«
    »Ein Handy?« Irritiert betrachtete sie das Tuch.
    »So ein besticktes Schnupftuch. Dem alten Hagen. Bevor ihr euch verabschiedet habt, damals, vor der großen Flucht. Am Oderufer hast du es ihm zugesteckt und geflüstert: ›Vergiss mich nicht.‹«
    Mutter stopfte das Taschentuch zurück und klappte die Handtasche zu. »Das könnte ich genauso gut zu dir sagen.«
    »Mutter …«
    »Ich gehe ja in dieses Heim!«
    »Eine Fünfsterneseniorenresidenz.«
    »Ich werde für dich die Ohren offen halten.«
    »Und ganz diskret alles über den alten Hagen herausfinden.«
    »Jedenfalls werde ich nicht lügen.«
    »Okay«, sagte die fremde Frau auf der Rückbank. Jedes Mal, wenn ich sie im Spiegel sah, erschrak ich. »Fahr zurück. Gute Idee, aber es klappt nicht.«
    Marie-Luise trug ein uraltes Kleid meiner Mutter aus den sechziger Jahren, das die Jahrzehnte nur deshalb überlebt hatte, weil es damals achtzig Mark gekostet hatte und von einer Schneiderin genäht worden war. Meine Mutter war einmal eine bildhübsche, schlanke Frau gewesen. Nein, das war sie eigentlich immer noch. Doch das Alter stauchte die Menschen, daher hatte sie um die Mitte etwas zugelegt.
    Das Kleid passte Marie-Luise wie angegossen. Anders war es mit den Schuhen. Sie fielen eine Nummer zu groß aus, dafür waren sie robust, bequem, beige, atmungsaktiv, extraweit, gesund und zum Schnüren. Was die Verwandlung perfekt machte und mich ständig irritierte, war die Frisur. Die wilden roten Locken hatte sie glatt zurückgekämmt und zu einem Knoten gesteckt. Mehr nicht, trotzdem sah sie aus wie eine Gouvernante. Wie eine Gouvernante, die im Clinch mit einer Heckenschere gelegen hatte. Die Schnitte und blauen Flecken waren immer noch zu sehen. Doch sie waren gut abgeheilt. Wir hatten uns auf einen Fahrradunfall geeinigt, falls jemand nach der Ursache fragen sollte.
    Es gab keinen besseren Ort, um unterzutauchen. Mochte Marie-Luise mit allen Haftbefehlen der Welt gesucht werden, mochte man unsere Wohnungen, die Kanzlei und Whithers Loft rund um die Uhr bewachen – niemand würde sie im Haus Emeritia suchen. Es war keine gute Idee. Sie war genial . Allerdings nur, wenn alle mitspielten. Meine Mutter war jetzt schon am Rande eines Nervenzusammenbruchs.
    »So habe ich das doch nicht gemeint!«
    »Natürlich nicht, Frau Vernau.« Marie-Luise saß hinten rechts neben Hüthchen. Sie beugte sich vor, um besser mit mir sprechen zu können. »Du verlangst zu viel von ihnen. Sie sind grundehrliche Leute. Sie sind nicht so wie du.«
    »Es reicht! Ich reiße mir hier …« Ich holte tief Luft. »Wollt ihr wirklich, dass die Polizei sie kriegt?«
    Mutter presste die Lippen aufeinander. Hüthchen, das konnte ich im Rückspiegel erkennen, starrte aus dem Fenster. Natürlich. Jetzt hielt sie sich raus.
    Marie-Luise ließ sich zurück in den Sitz fallen. »Lass sie. Das wird nichts. Ich kann ja nicht vierundzwanzig Stunden am Tag um sie herum sein und darauf achten, dass sie irgendein Schnupftuch nicht mit einer

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