Versunkene Inseln
wasserdichten Safe voll von Papieren und anderen vergänglichen Dingen. Maschinen, Werkzeuge, Juwelen. Einzelteile und Bruchstücke aus dem Leben anderer Menschen.“
Er schien wirklich interessiert. Und das konnte man natürlich auch erwarten. Jenny und er nahmen einiges auf sich, um drei Monate lang mit uns unter der nassen Decke des Meeres zu arbeiten.
„Was habt ihr gefunden?“
„Dies und das. Das meiste davon wirst du noch heute vormittag zu Gesicht bekommen, wenn wir zum Schiff runter fahren. Bisher ist es noch nicht allzuviel, und richtig eingeordnet ist es auch noch nicht. Aber es wird euch eine ziemlich gute Vorstellung davon geben, wonach wir Ausschau halten, wenn wir erst unter Wasser sind.“
Er nickte und lächelte noch immer. Sein fester Blick verunsicherte mich. Ich sah zur Seite, über den Rand des Felshanges hinaus und auf die dahinrollenden Wogen. Das Festland war wie Flaum am Horizont. Die während der Nacht herangezogenen Wolken hatten sich mit der Morgendämmerung aufgelöst; jetzt war der Himmel tiefblau und die Luft vollkommen klar. Weit draußen segelten und kreisten Seevögel, und ich vernahm ihr leises Krächzen, das vom Rauschen der Wellen durchtränkt war.
„Und du, Tia?“
„Hm?“
„Wie ist es dir ergangen? Es war eine lange Zeit.“
„Ja, das war es“, gab ich schroff zurück. „Danke, es ging mir gut. Ist Jenny auf? Es ist Zeit zum Frühstück. Und ich sollte euch schon früh zum Dock bringen. Tobias wird dort unten auf uns warten.“
„Ich sehe nach“, entgegnete er, kam auf die Beine, streckte sich und lief zum Haus zurück.
Ich widerstand der Versuchung, ihm nachzusehen und beugte mich statt dessen zu meinen Pflanzen hinab. Ja, wie war es mir ergangen? Was erwartete er denn eigentlich in dieser Hinsicht? Wollte mich dieser junge Unsterbliche auf den Arm nehmen? Machte er sich über meine Gefühle lustig?
Oder war er nur höflich?
Oder nichts von alldem. Oder alles. Oder, Tia, du wirst paranoid. Ich verließ meinen Garten und ging ins Haus zurück, um das Frühstück vorzubereiten.
5
Ich mag meine Küche nicht. Als ich das Zimmer neu einrichtete, habe ich versucht, die Geräte einzubauen, aber sie stören noch immer: Die Kühleinheiten und Aufbereiter und Garer ragen mit bizarrer Trostlosigkeit in die gemessene Würde meines Heims hinein. Das Haus stellt eine Analogie zu mir dar: Es altert ebenfalls und ist über seine besten Jahre bereits hinaus; es enthält moderne Einsätze, so wie auch mein Körper kleine Röhren und andere Dinge aus Plastik aufweist, Ausbesserungen und Ersatzteile.
Ich entdeckte das windschiefe und herrenlose Haus, als ich gerade begonnen hatte, beim Projekt mitzuarbeiten und mich auf die Suche nach einer Unterkunft machte, in der ich angenehmer wohnen konnte als an Bord der Ilium. Das Haus ist uralt, stammt noch aus der Epoche vor der Formung und ist aus dem Holz der Eibensequoien erbaut worden, die es heute nicht mehr gibt. Es besteht aus einer Reihe von Kuben und Rechtecken, steht direkt am Rand des Felshanges und ragt gefährlich weit darüber hinaus, so daß es zum Teil über der Brandung schwebt. Daß es nicht bereits vor Äonen einges türzt ist und vom Meer verschlungen wurde, ist einem Unsterblichen zu verdanken. Das Gebäude erregte zufällig seine Aufmerksamkeit, und er stabilisierte es mit einigen Kraftfeldern und einer Reihe von häßlichen Plaststahlpfählen. Dann gab er es wieder auf, als er das Interesse daran verlor. Die Fähigkeit dieses Hauses, sowohl dem nagenden Zahn der Zeit als auch dem verheerenden Einfluß inkompetenter Renovierungsarbeiten zu widerstehen, hatte es mich liebgewinnen lassen. Ich machte den Eigentümer ausfindig, der
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