Vertraue nicht dem Feind
einließ. Reese hatte sie wohl verhext. Anders ließ es sich nicht erklären.
Im Grunde ging es ihn auch überhaupt nichts an. Seltsamerweise fühlte er sich trotzdem dafür verantwortlich, sie zu beschützen – vielleicht sogar sie beide. Wie kam er nur auf derartigen Schwachsinn? Reese war ein muskelbepackter, cleverer Hüne von einem Cop.
Alice brauchte eine sanfte Hand, aber Reese … Doch Alice verbarg ein dunkles, gefährliches Geheimnis. In ihren Augen lauerten dieselben finsteren Schatten, die er auch in seinem Gesicht sah, wann immer er in den Spiegel blickte. Ob diese Geheimnisse einen ehrbaren Bullen wie Reese in Schwierigkeiten bringen konnten?
Rowdy hatte keine Lust mehr, noch länger den Voyeur zu spielen. »Sie wird noch in Ohnmacht fallen.«
Reese gab Alice mit sichtbarem Widerwillen frei. Alice wankte. Es war amüsant, wie sie um Fassung rang. Die Röte auf ihren Wangen stand ihr so gut wie ihr Lächeln und hob seine Stimmung ebenso wie ihr Lachen.
»Rowdy, benimm dich gefälligst.« Sie leckte sich über die Lippen und schien erst jetzt zu begreifen, was sie gerade getan hatte. Sie bedachte beide Männer mit einem finsteren Blick.
Rowdy bemühte sich, nicht zu grinsen. Alle Achtung, diese Frau hatte wirklich Schneid – und ließ sich sicherlich nicht so schnell Angst einjagen. Was immer ihr auch in der Vergangenheit zugestoßen sein mochte, musste sehr gravierend gewesen sein.
Dass Reese sich um sie kümmerte war schön und gut, aber Rowdy würde sich trotzdem nicht davon abhalten lassen, sie höchstpersönlich zu beschützen. Immerhin wurde Reese durch das Gesetz eingeschränkt.
Rowdy nicht in dem Maße.
Reeses besitzergreifendes Verhalten – dem Hund wie auch Alice gegenüber – ließ darauf hoffen, dass es demnächst hier noch sehr interessant zugehen würde – so, wie es Rowdy am liebsten hatte.
5
Reese ließ sich von Alices offenkundigem Unmut nicht beirren. Er ignorierte ihn kurzerhand, genau wie Rowdys selbstgefälliges Grinsen und die gespannte Aufmerksamkeit, mit der er ihn ansah.
Einfach, weil er es wollte und weil er ihr aus irgendeinem Grund nicht widerstehen konnte, küsste er sie gleich noch einmal, diesmal allerdings nur zart und frustrierend kurz. Dann hob er den Kopf und strich mit dem Daumen über ihre volle Unterlippe. »Wo kann ich meine Sachen verstauen?«
Sie blickte sich verwirrt und definitiv auch ein wenig verlegen um, als kenne sie sich in ihrer eigenen Wohnung nicht mehr aus.
»Ich kann meine Ersatzgarderobe ja in den Flurschrank hängen, wenn es dich nicht stört.«
Sie sah Rowdy nicht an. Reese ebenso wenig.
»Alice?«
»Hm? Oh.« Alice holte tief Luft und kam erschauernd wieder zu sich. »Ich kann dein Rasierzeug schon mal ins Bad bringen. Ich lege es auf die, ähm, Ablage, da ist es griffbereit, wenn du es … morgen brauchst. Ja, hm. Um dich zu rasieren, meine ich.« Sie sammelte sich einen Augenblick und schaffte es, ohne zu stammeln weiterzusprechen. »Du kannst deine Sachen gern in den Schrank räumen. Platz genug müsstest du haben, denn er ist sowieso fast leer.«
»In Ordnung.« Noch war er leer – aber wenn sie ihren Revolver von Logan zurückbekam, lagen dort bald wieder zwei Waffen. »Danke.«
Sie winkte lächelnd ab und eilte davon. Reese verfolgte misstrauisch, wie aufmerksam Rowdy Alices Flucht beobachtete.
Was war denn das? Unglaublich! Lag in dem Blick, mit dem Rowdy ihr nachsah, etwa Interesse? Na, hoffentlich nicht.
Reese wartete ab, bis Rowdy ihm endlich wieder ein wenig Aufmerksamkeit schenkte. Dann senkte er vorsorglich die Stimme, damit Alice seine Worte auch ganz sicher nicht mithören konnte. »Was hast du hier zu suchen? Und komm mir nicht wieder mit dem Blödsinn, du würdest ihr nur einen kleinen Besuch abstatten.«
Rowdy folgte Reeses Vorbild und flüsterte ebenfalls. »Sie ist mir unheimlich.«
»Alice? Sei doch nicht albern.«
»Hunde, die nicht bellen, beißen immer am schlimmsten.«
»Bezeichnest du sie etwa als Hund?« Reese wusste sehr wohl, dass Rowdy etwas ganz anderes meinte.
»Ich will damit sagen, dass sie mir viel zu still und gesittet ist.« Rowdy setzte sich wieder, und Cash ließ Reese stehen, um sich zu ihm zu gesellen. »Ich habe den Eindruck, sie hält schon seit so langer Zeit eine unerschrockene Fassade aufrecht, dass es ihr inzwischen schon gar nicht mehr bewusst ist.«
Ach was.
Darauf war er schon ganz alleine gekommen. »Was weißt du denn über ihre Fassade?«
»Nur, dass mich ihr
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