Vertraue nicht dem Feind
irgendwas große Angst. Es würde alles bedeutend vereinfachen, wenn du dich beruhigen und mir verraten würdest, was los ist.«
Alice ließ sich nicht so schnell einschüchtern, das musste er ihr zugestehen. Obwohl er Druck ausübte, schaffte er es nicht, ihre gefasste Fassade zu durchdringen. Als sie angefangen hatte, in seinem Hirn herumzuwühlen und seine Motive zu hinterfragen, hatte er kurz davor gestanden, alles hinzuschmeißen. Wenn Alice alles für sich behalten wollte, bitteschön. Sollte sich doch Reese um dieses Problem kümmern. Schließlich machte der sich ja geradezu einen Sport daraus, allem und jedem zu misstrauen. Aber das war jetzt nicht ganz fair. Rowdy hatte Reese, dem gerissenen Mistkerl, allen Grund zum Argwohn gegeben.
»Weiß Reese, dass du hier bist?«, fragte Alice prompt, als hätte sie seine Gedanken gelesen.
Er lachte auf. »Nein.«
»Du traust ihm nicht?«
»Andersrum wird ein Schuh draus, Schätzchen.« Reeses Argwohn wurmte ihn noch immer gehörig. Aber was soll’s, sie konnte ruhig wissen, was los war. »Was weißt du über Reese?«
»Er ist ein guter Mensch«, erwiderte sie fest und ohne eine Sekunde zu zögern.
»Ja, das ist er wohl. Obwohl ich nicht immer daran geglaubt habe.«
»Dann kennst du ihn offenbar nicht sehr gut.«
Warum? Weil er ihn sonst zur Heiligsprechung vorgeschlagen hätte? Rowdy verkniff sich das verächtliche Schnauben. »Nein, eigentlich kenne ich ihn kaum.« Er grinste. »Es gab da ein kleines Missverständnis. Logan und Reese glaubten, dass ich vor zwei Jahren Zeuge eines Mordes geworden wäre, doch in Wirklichkeit war das meine Schwester.« Er verspürte ein Stechen in der Magengrube. Galle brannte in seiner Kehle.
Langsam wurde es schwierig, den Kavalier zu geben.
Obwohl sich Miss Alice Appleton sowieso nichts vormachen ließ. Er rieb sich die schmerzenden Schläfen. »Aber das hat sich alles erledigt. Der Scheißkerl ist tot. Den sind wir ein für alle Mal los.«
»Dann war der Mörder also jener Mann, der in Reeses Wohnung gestorben ist«, bemerkte Alice sanft und seltsam tröstend.
Eine Aussage, keine Frage, doch Rowdy fühlte sich dennoch veranlasst, es zu bestätigen. »Seinetwegen und wegen dem, was er Pepper angetan hätte, wenn er erfahren hätte, dass sie Augenzeugin des Mordes war, mussten wir untertauchen.« Er wagte es nicht, sie anzusehen, denn dann würde sie bloß noch mehr aus seiner Miene lesen, als sie sowieso schon erahnt hatte. »Zwei Jahre lang haben wir es geschafft, uns bedeckt zu halten, doch nachdem Logan und Reese uns bloßgestellt hatten, erschienen wir plötzlich wieder auf dem Schirm dieses Verbrechers.«
»Er wollte dich töten?«
Er hob eine Schulter in der Hoffnung, so die Anspannung, die in jedem Muskel saß, abzuschütteln. »Mich, Reese, Logan und noch weitere Personen.«
»Nur deine Schwester nicht«, flüsterte Alice geistesabwesend. »Er hätte sie am Leben gelassen, um sie zu verkaufen.«
In Rowdys Kopf flammte rasende Wut auf, so heiß und verzehrend, dass es ihm die Sprache verschlug. Er konnte nicht antworten, sondern nur kaum merklich nicken.
Alice schien ihn seltsamerweise ohne Worte zu verstehen. Sie berührte mitfühlend seinen Arm. »Es ist sehr gut, dass er tot ist.«
Genau das war das Problem mit Alice: wie gleichmütig sie solche Aussagen traf. Diese Denkart, dass der Tod eines Menschen eine Lösung, einen Ausweg darstellte.
Rowdy entschied, sich ganz auf Alice zu konzentrieren und alles andere auszublenden. Dankbar über ihr Mitgefühl legte er die Hand auf ihre. »Ganz schön miese Aussichten waren das. Wie kommt es, dass ein so zugeknöpftes Persönchen wie du solche Ansichten über den Tod entwickelt?«, fragte er und lenkte die Unterhaltung auf den eigentlichen Grund seines Besuches.
Sie neigte den Kopf. »Zugeknöpft?«
»Bieder. Überkorrekt.« Da sie ihn weiterhin verständnislos ansah, knuffte Rowdy sie in die Seite. »Komm schon, Alice, das muss dir doch auch klar sein. Schließlich bist du eine clevere Frau.«
Verwirrt und möglicherweise auch ein wenig gekränkt trat sie zur Seite und setzte sich wieder.
Rowdy tat es ihr gleich. Cash gesellte sich ebenfalls zu ihnen und machte es sich mit einem tiefen, zufriedenen Seufzer zwischen ihnen beiden gemütlich. Alice vergrub die Hand in seinem Fell und begann, ihn in fast schon hypnotischem Rhythmus zärtlich zu streicheln.
»Alice, ich mache mir Sorgen um dich.«
»Das ist nicht nötig«, erwiderte Alice abwesend und tief in
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