Verwöhne mich mit Zärtlichkeit
hast deine Mutter und deinen Vater und deinen Mann nicht in den Tod geschickt, meine Kleine. Wer auch immer die Bombe an Bord gebracht hat, der hat das getan.”
“Dass das Flugzeug plötzlich vom Radar verschwand, heißt nicht unbedingt, dass eine Bombe an Bord war.” Marissa wollte nicht glauben, dass das Flugzeug ihres Mannes durch eine Bombenexplosion abgestürzt war, denn dann würde sie sich noch schuldiger fühlen.
“Ich weiß, dass es so war. Genauso wie ich weiß, wer es war. Und warum er das getan hat.”
Marissa wollte sich abwenden, doch Juan ließ es nicht zu.
“Du hast daran genauso wenig Schuld wie an allem anderen. Du warst mit einem Mann verheiratet, der mehr als doppelt so alt war wie du. Auch wenn du ihn nicht geliebt hast, an Loyalität hast du es nie fehlen lassen. Du hast also keinen Grund, dir etwas vorzuwerfen”, erklärte Juan.
“Wenn ein mächtiger Mann auf alles versessen ist, was deinem Mann gehörte, auf seinen gesamten Besitz und sogar auf seine Frau, dann trifft dich keine Schuld. Wenn er versucht hat, deinen Mann zu zwingen, bei illegalen Geschäften mitzumachen, ist das nicht deine Schuld. Wenn dieser Mann beschließt, dich und alle, die du liebst, zu bestrafen, weil ihr ehrenhaft seid und euren Prinzipien treu bleiben wollt, dann bist nicht du ehrlos. Wenn er seine Drohung auf die schrecklichste Art und Weise wahr macht, begeht er ein Verbrechen, nicht du.”
Entschieden fügte Juan hinzu: “Mein Junge lebt, weil du dich um ihn gekümmert hast. Deine Familie ist durch die Hand eines Schurken ums Leben gekommen. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.”
“Dass eine Bombe den Absturz verursacht hat, war nur eine Vermutung, die schnell fallen gelassen wurde.”
“Ja”, räumte Juan ein. “Aber es gab die Drohung. Und alle, die davon wussten, wurden zum Schweigen gebracht. Jedenfalls glaubt Menendez das.”
“Falls Menendez herausfinden sollte, dass ich noch lebe, dann findet er auch heraus, dass du mich versteckt hast, und er wird dich automatisch verdächtigen, alles zu wissen. Dann, lieber Juan, wäre auch dein Leben in Gefahr.”
“Nein, meine Kleine. Ich bin nur ein Gaucho, der auf der Estanzia deines Vaters gelebt und gearbeitet hat. Wer würde schon vermuten, dass wir befreundet sind, seit du fünf warst und ich sechzehn? Wer würde glauben, dass eine so angesehene Lady wie die Señora Rei meinem sehnlich erwarteten ersten Kind auf die Welt geholfen hat? Oder dass es ihr zu Ehren ihren Namen trägt?”
“Aber falls sie …”
“Wenn du erst weg bist, werden wir leben wie immer. Meine Marta, Alejandro und ich. Und du, Rissa, du wirst in Sicherheit sein.”
Marissa fuhr sich mit der Hand über die Augen, als wolle sie verhindern, dass ihr, wie so häufig in letzter Zeit, die Tränen kamen. “Wird Jefferson kommen? Wird er sich nach so langer Zeit an das Versprechen erinnern? Wird es ihn überhaupt kümmern?”
“Wenn er auch nur annähernd der Mann ist, von dem du erzählt hast, dann wird er sich erinnern, dann wird es ihn kümmern, und er wird kommen.”
“Wir können nicht sicher sein, dass er eine Nachricht erhält, die durch so viele Hände gegangen ist. Und wenn, war sie nicht zu verschlüsselt? Vielleicht sagt ihm der Zeitungsartikel nichts. Vielleicht liest er ihn nicht einmal.”
“Er wird ihn lesen, meine Kleine. Immer und immer wieder. Weil er weiß, dass er ihn verstehen muss. Er wird die Hinweise finden und richtig deuten. Dann wird er auf die Estanzia kommen, und Marta wird den Rest erledigen.”
“Wirst du danach in Sicherheit leben können, Juan? Du und deine Familie?”
“Ja, wir werden in Sicherheit sein”, versicherte Juan und lächelte, als er in Gedanken ergänzte: ‘Und du, Marissa, wirst endlich bei dem Mann sein, den du liebst.’
2. KAPITEL
“Was zum Teufel geht hier eigentlich vor?”
Falls Jefferson eine Antwort erwartete, dann hätte er sie wegen des Lärms, den der Hubschrauber machte, nicht verstanden. Zudem war der Pilot, der sich als Rick Cahill und Freund von Jericho Rivers vorgestellt hatte, ausgesprochen einsilbig. Aber ein echter Könner. Das hatte Jefferson sofort gewusst, als er den Helikopter im Morgengrauen im Tiefflug sicher durch den Canyon hatte fliegen sehen, und als jener sanft wie eine Libelle aufgesetzt hatte.
Als der Pilot ihm einen fragenden Blick zuwarf, zuckte Jefferson nur mit den Schultern und sah aus dem Fenster. Dabei wunderte er sich erneut, wie seltsam sich die Dinge entwickelt
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