Verwüstung: Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges (German Edition)
darin wetteiferten, die Studenten an sich zu ziehen – begann der eine mit Drama, fing der andere sogleich auch an und so weiter. Die beiden Rivalen hielten Vorlesungen, stritten sich, schrieben empörte Petitionen und sorgten für Unruhe. Im Frühjahr 1613 erlebten die Auseinandersetzungen zwischen den beiden Professoren einen letzten Ausbruch, der selbst mit akademischen Maßstäben gemessen einzigartig war. Die skandalösen Auftritte gingen in Chaos über, das Chaos seinerseits mündete in erregtes Degengerassel, als rivalisierende Studentenbanden aufeinander einprügelten und sogar handgreiflich gegen das Konsistorium vorgingen. Nun hatte Gustav Adolf genug von den unbändigen Auseinandersetzungen, die die gesamte Universität auf den Kopf zu stellen drohten, und sorgte dafür, dass die beiden Streithähne mit sanfter Gewalt aus Uppsala entfernt wurden. In den Jahren 1614 und 1615 musste Rudbeckius den König als Hofprediger in den neuen Krieg gegen Russland begleiten. (Diese obskure Kampagne – die sich vor allem in Form einer Reihe von Belagerungen verschiedener russischer Städte und Ortschaften gleich östlich des Baltikums abspielte – hatte schließlich 1617 zu dem prunkvollen Friedensschluss von Stolbova geführt, bei dem die bedrängten Russen Ingermanland, Nöteborgs Län und Kexholms Län abtreten sowie der schwedischen Krone 20 000 Rubel zahlen mussten.) Rudbeckius’ Rivale Messenius wurde 1616 arrestiert und aufgrund eines vage begründeten Verdachts, katholischer Agent zu sein, zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt.
Im Jahre 1619 wurde Rudbeckius zum Bischof in Västerås gemacht und leitete mit gewohnter Energie unverzüglich eine umfassende Reform des aus kirchlicher Sicht reichlich morschen Stifts ein. Abgestumpfte Pastoren wurden aufgescheucht und gezwungen, in jährlichen Studienkursen ihre wurmstichige Bildung aufzufrischen; und mit der Furie eines Rächers stürzte er sich auf die sogenannten sittlichen Mängel der Gemeindelehrer und führte eine strenge Kirchenzucht ein. Rudbeckius war ein Patriarch, in des Begriffes bester und in seiner schlechtesten Bedeutung. Er erwies seiner Herde große Fürsorge und organisierte eine Armen-und Krankenpflege, die im Reich kaum eine Entsprechung hatte und in mehr als einer Hinsicht Schule machen sollte; er restaurierte den Dom und richtete mehrere Ausbildungsanstalten ein, unter anderem die erste Mädchenschule des Reichs, eine radikale Maßnahme in einer Zeit, in der viele der Meinung waren, dass Frauen überhaupt keine Ausbildung brauchten. Aber daneben forderte er Unterwerfung und strikten Gehorsam von allen, denen er half: dass sie die Hilfe mit gebeugtem Nacken in stummer Dankbarkeit entgegennehmen sollten, war für ihn wie für alle anderen Obrigkeitspersonen eine Selbstverständlichkeit. Seiner großen Gelehrsamkeit zum Trotz fiel es ihm jedoch schwer, längere Zeit für theologische Spitzfindigkeiten aufzuwenden – er war in erster Linie ein Praktiker. Sein Interesse war vor allem darauf gerichtet, die Gemeinde in seinem Stift zu züchtigen und zu überwachen. Er führte obligatorische Katechismusprüfungen ein und kontrollierte den Zustand der Gemeinden mit Hilfe einer detaillierten Kirchenbuchführung – auch dies Reformen, die Vorbildfunktion für das Reich haben sollten. Rudbeckius hat lange, seltsame Listen hinterlassen, auf denen er mit großer Mühe alle Armen, Gottlosen, Verbrecher und Unzüchtigen des Stifts verzeichnet hat. Dort kann man Aufzeichnungen darüber finden, wer dem Gerücht zufolge wen beschlief, welche Ehepaare stritten, ja sogar über Trivialitäten wie die, dass «Lars Iliansson, ein Schuhmacher in By, einem Jungen Branntwein gegeben hat, so daß er sich in der Kirche erbrach». Wie so viele andere Männer der Kirche war er von einem grimmigen Strafdenken durchsäuert. In seinem Fall nahm das große Bedürfnis zu strafen sogar, gelinde gesagt, eigennützige Formen an: Wer gesündigt hatte, wurde von ihm gezwungen, eine besondere Bußzahlung an das Stift zu leisten, in Bargeld oder in Naturalien in Form von Wagenrädern, Fuchsfellen, Hufeisen oder anderen Kleinigkeiten, und dies vollkommen ungeachtet dessen, dass der Schuldige bereits zu einer Bußleistung an den Staat verurteilt war. Diese Doppelbestrafung war von großer Bedeutung für das Stift, denn die «Gehorsamsbeweise» wurden für die Bezahlung der Reformen des Bischofs benötigt, die in der Regel nicht wenig kostspielig waren.
Die Kirche hatte in dieser Zeit
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