Verzeihen ist immer moeglich
mit mir selbst.«
Wenn wir nicht wissen, wozu wir leben, und immer nur den Anforderungen anderer entsprechen, gehen wir unbewusst durch unser Leben. Wir sind auf dieser Erde, um in erster Linie lieben zu lernen, um geistig voranzukommen. Das beinhaltet, Verluste und Schicksalsschläge anzunehmen. Es ist verbunden mit der Frage, was ein bestimmtes Ereignis für unser Leben bedeutet, damit wir die notwendigen Schritte des geistigen Wachstums erkennen. Wenn Dinge geschehen, die wir nicht für möglich gehalten haben und von denen wir glaubten, dass wir sie nicht überleben würden, ist es häufig verbunden damit, dass wir an den tiefsten Punkt der inneren Kraft gelangen, die uns durch das Leiden hindurchträgt.
»Eine allein erziehende Frau lebte nur für ihren vierzehnjährigen Sohn, der ihr alles im Leben war. Sie machte sich ständig Sorgen und Gedanken darüber, wo sich ihr Sohn aufhalten könnte oder was er gerade tat. Eines Abends erschien Peter nicht wie gewohnt zum Abendbrot. Sie geriet in Panik und rief bei allen Freunden an, doch keiner wusste, wo er war. Dann klingelte es an der Haustür und vor ihr standen zwei Polizisten in Uniform. In dem Moment wusste sie, dass etwas Furchtbares geschehen war. Die Polizisten teilten ihr mit, dass Peter beim Überqueren der Straße von einem zu schnell fahrenden Auto erfasst worden war. Er starb noch an der Unfallstelle.
Für Sandra brach eine Welt zusammen und sie war wie betäubt von ihrem seelischen Schmerz. Sie konnte Peters Tod nicht annehmen und verlor jeglichen Lebensmut. Das Schlimmste, was sie sich hätte vorstellen können, war geschehen. Sie wollte niemanden mehr sehen. Sechs Monate später ging sie auf Anraten einer Freundin zu einer Trauerselbsthilfegruppe. Hier fand sie Verständnis und Erleichterung bei Menschen mit ähnlichen Erfahrungen. Sie konnte sogar schrittweise die Wand aus Trauer und Wut auf den Fahrer abbauen und ihm verzeihen. Heute leitet sie eine Trauergruppe für Eltern, die ihr Kind durch einen Verkehrsunfall verloren haben.«
Leiden kann zu einem inneren Fortschritt führen, wenn wir uns fragen, was ich persönlich aus einer Enttäuschung oder einem Verlust zu lernen habe. Wir leiden am meisten durch und wegen uns selbst. Wenn wir aus Vergangenem nichts lernen, werden sich unsere Muster so lange wiederholen, bis wir für neue Einsichten und Veränderungen bereit sind. Leiden jeder Art ist immer eine Möglichkeit, daran zu wachsen und zu reifen. Das führt dazu, dass wir erkennen, dass Schuld, wie wir das verstehen, Illusion ist.
Das Ende der Schuld
Schuldgefühle sich selbst oder anderen gegenüber können ein Leben vergiften, ebenso Schuldzuweisungen an andere. Sie können nur durch Bewusstwerdung und Vergebung aufgelöst werden. Wenn ein Mensch gegen seine persönlichen Werte oder Glaubenssysteme verstößt, entstehen Schuldgefühle. Sie sind eine Art der Selbstverurteilung und die Folge dessen, was wir als Kinder gelernt haben: die Bedürfnisse anderer wichtiger zu nehmen als unsere eigenen. Wir erleben schon früh, dass in dieser Welt Zuwendung und Zuneigung an Bedingungen geknüpft werden. Die wenigsten Menschen wissen, was wahre bedingungslose Liebe überhaupt ist. Das geht so weit, dass sich manche schuldig fühlen, wenn sie die eigene Unabhängigkeit leben wollen.
»Eine Frau lebte viele Jahre an der Seite ihres tyrannischen Ehemannes. Ständig versuchte er ihr vorzuschreiben, was sie zu tun oder zu lassen hätte. Sie erstickte an dieser Einengung und konnte ihr Leben lang nicht ihre eigenen Wünsche und Vorstellungen realisieren. Sie war immer nur für alle anderen da. Niemand fragte, wie es ihr damit ging. Sie empfand es als ein Leben in Knechtschaft, hatte aber nie den Mut, sich ihrem Mann zu widersetzen.
Im Laufe der Jahre entwickelte sie Schuldgefühle ihrem Mann und Familie gegenüber. Ihr war als Kind beigebracht worden, die Familie als höchstes Gut zu schätzen, dem sich alle eigenen Bedürfnisse unterzuordnen hätten. Als ihr Mann plötzlich verstarb, verstärkten sich ihre Schuldgefühle. Jetzt konnte sie ihn nicht länger für ihr Unglück verantwortlich machen. Dadurch erkannte sie ihren eigenen Kardinalfehler: Sie hatte nie mit anderen über ihre eigenen Bedürfnisse gesprochen und nie den Mut aufgebracht, diese einzufordern. Durch Schuldprojektionen lassen sich derartige Versäumnisse nicht auflösen. Sie wusste, dass sie ihre alten Verhaltensmuster loslassen musste und vor allem sich selbst und anderen
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