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Verzeihen

Verzeihen

Titel: Verzeihen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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einige brachen blutüberströmt zusammen, sie starben vor meinen Füßen. Hühner, Katzen, ein Hund, und noch ein Pferd, vielleicht die Mutter des Fohlens, sie wollte ihr Junges schützen, der Gutsherr prügelte sie tot.
    Ununterbrochen hab ich das Knallen der Peitsche gehört. Und auf einmal hab ich begriffen, wieso die Tiere alle ins Freie gelaufen kamen. Ein Feuer war ausgebrochen, es brannte lichterloh, überall. Die Flammen waren riesig, Balken krachten zusammen, Dächer knickten ein. Und der Gutsherr hob die Peitsche und schlug nach mir, und ich spürte den Riemen in meinem Gesicht. Ich hab gedacht, die Haut hängt mir in Fetzen herunter. Er schlug und schlug. Und es wurde immer heißer, immer unerträglicher, die Flammen kamen näher und näher, und die Tiere, für die ich verantwortlich war, das fiel mir in diesem Moment ein, konnten nicht mehr entkommen. Ich sah, wie ihr Fleisch brannte, wie sich die Flammen in die Haut fraßen, und ich hörte die Knochen entsetzlich knirschen. Und das Gesicht des Gutsherrn war eine Fratze, so ein Gesicht hab ich noch nie gesehen, so, denk ich, sieht der Tod aus, oder der Teufel. Und ich spürte seinen Atem, der so heiß war wie das Feuer.
    Jetzt sterb ich, hab ich gedacht, jetzt sterb ich, und dann bin ich aufgewacht.
    Mein ganzer Körper war schweißnass, ich bin aus dem Bett gestürzt und hab überall Licht angemacht. Ich bin auf den Balkon rausgelaufen, es war kalt, und ich hatte nur ein T-Shirt an. Die Luft war so gut, ich atmete ganz tief ein, minutenlang, und später in der Wohnung schwitzte ich immer noch. Ich hab Wasser getrunken, zwei Liter hintereinander weg, ich hab gedacht, ich verbrenn von innen.
    Dann bekam ich solche Angst, dass ich meine Freundin anrief.
    Aber ich hab die Verbindung unterbrochen, bevor sie drangehen konnte. Ich hätt nicht sprechen können. Das war der schlimmste Traum meines Lebens, und jetzt glaub ich, ich weiß, was er bedeutet. So ungefähr wenigstens, so ungefähr.«
    Ariane war außer Atem. Die Frauen blickten zu Boden. Dr. Forster stand auf, stellte sich hinter Ariane, fing an, deren Nacken zu massieren.
    »Du bist jung«, sagte Elfie, »dein Körper hat noch viele Reserven. Ich hatte immer ein labiles Immunsystem, früher schon, ich hab viel Angst gehabt vor den Menschen. Wenn ich im Supermarkt war, hab ich mich plötzlich vor allen Leuten gefürchtet. Das ist jetzt anders, jetzt hab ich einen besseren Bezug zur Wirklichkeit.«
    »Na ja«, sagte Klara und grinste. Die Ärztin hörte auf zu massieren.
    »Danke für deinen Mut«, sagte sie.
    »Ich erzähl euch noch eine kurze Geschichte«, sagte Ariane.
    Vielleicht waren es die Hände auf ihrer Schulter. Vielleicht war es die unerwartete Erleichterung, die sie empfand, nachdem sie zum ersten Mal laut ausgesprochen hatte, was ihr im Traum widerfahren war. Auf einmal wollte sie noch eine Weile bleiben.
    »Sie ist von einem persischen Dichter«, sagte sie. Und streckte den Rücken, was sie lange nicht mehr getan hatte.
    »Und sie handelt von einer Libelle, die Briefmarken sammelt.«
    Nachdem sie zu Ende erzählt hatte, bekam sie etwas, das sie noch nie bekommen hatte: Beifall.

14
    D ie nackte Frau erregte ihn nicht. Der Sekt schmeckte ihm nicht. Die Blicke der Bardamen kotzten ihn an.
    Die Musik verursachte ein Pochen in seinem Gesicht. Und doch hätte er nirgendwo anders sein wollen als in dieser Nachtbar.
    In einem Keller, nahe der Pension, in der er sein Zimmer hatte.
    Wenn Niklas Schilff sich auch nur einen Moment auf sich selbst konzentrierte, spürte er an jeder Stelle seines Körpers Wunden. Er hatte Pflaster darüber geklebt, nachdem er sich mit einem harten Handtuch abgetrocknet hatte.
    Aber er war nicht hier, um an sich zu denken. Er war hier, um zu trinken. Nackten Frauen zuzusehen. Und die Musik durch seinen Kopf scheppern zu lassen, bis seine Gedanken unbrauchbar geworden waren.
    »Noch ein Glas!«
    »Wollen Sie nicht gleich eine Flasche?«, fragte die Bedienung und streckte ihren Busen vor, als solle er an ihm riechen. Und er tat, als würde ihm der Anblick gefallen.
    »Gut«, sagte er, »ich möcht trotzdem allein bleiben, wenn Ihnen das nichts ausmacht.« Die soll das Zeug bringen und sich verziehen. Muss ich mich rechtfertigen?
    »Schade«, sagte sie. Im verwaschenen Licht der Bar sah ihr Gesicht belanglos aus, trotz des vielen Rouges und der Schminke auf ihrer Nase.
    Später musste er dringend ein Bier trinken. Der Sekt verklebte ihm schon jetzt den Mund. Er mochte

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