Verzeihen
den Männern, und das reicht jetzt für alle Zeit.
Iris hat mich ausgefragt, ich habe ihr nicht alles gesagt. Ich schäme mich für das, was ich in der vergangenen Woche getan habe. Ich will jetzt von vorn anfangen, ohne dass es auffällt.
Ich mache meine Arbeit im »Glücksstüberl«, wie immer. Vielleicht gehe ich wieder ins Training. Das hat mir immer geholfen. Das Tanzen. Und die Gymnastik. Wir werden sehen.
Es klingelt an der Tür, das ist bestimmt die Nachbarin, die sich um mich sorgt. Morgen schlafe ich aus und abends gehe ich ins Lokal. Und arbeite und tu was für mein Geld. Ich fange ein neues Leben an. Schon wieder. So viele Leben. Das hätte ich nicht gedacht, dass ich so reich bin.
Nicht sein Blick erschreckte sie so sehr, dass sie sofort an den Traum vom brennenden Gutshof denken musste. Es waren auch nicht seine kalten Hände, mit denen er die ihren umklammerte und quetschte. Nicht die grunzenden Laute, die er von sich gab.
Es war die Art, wie er die Schultern hochzog. Seinen Trenchcoat ausschüttelte. Und heiser sagte: »Ich hab mir gleich gedacht, du bist eine Nutte.« Dann lehnte er sich an den Türrahmen und spuckte auf den Teppich.
Ich hab mir gleich gedacht, du bist eine Nutte.
Solche Sätze hatte Ariane Jennerfurt ständig gehört. Die Männer brauchen das, um sich besser zu fühlen. Hatte Iris immer gesagt. Aber Ariane war nicht sicher, ob Iris Recht hatte. Ob sich ein Mann gut fühlte, hatte für sie nichts mit seiner Arroganz und Verachtung Frauen gegenüber zu tun, sondern damit, was er von sich selber hielt. Das war ihre Einstellung dazu.
So viele Männer, die sie in ihrer Zeit im »Blaubart« und in den anderen Lokalen getroffen, mit denen sie geredet, die sie massiert, die sie hinterher erlebt hatte, machten solche Bemerkungen im Grunde über sich selbst. Und nicht über die Frau, der sie zufällig gerade Geld gaben. Den einen oder anderen hatte sie gefragt, was ihm Freude bereite. Und die meisten hatten geantwortet: Dass ich nächsten Monat wieder zu dir komm! Das war alles. Sie meinten es ernst. Was für ein erbärmliches Leben, hatte sie dann gedacht. Und natürlich waren diese Männer nicht so dumm, dass ihnen ihre Situation nicht bewusst gewesen wäre. Und so beschimpften sie die Huren. Sagten dreckige Sachen. Pinkelten auf der Straße gegen fremde Autos. Alles so einfach. So durchschaubar.
Und doch tauchte dann und wann einer auf, den Enzo besser sofort wieder vor die Tür gesetzt hätte. Mit dieser Sorte Männer gab es Probleme. Der Grad des Abscheus, den sie mit sich schleppten wie harten Kot, überstieg das übliche Maß um das Zehnfache. Und Ariane war später jedes Mal niedergeschmettert ob ihrer Naivität. Sie hatte die Bedrohung einfach ignoriert. Diese Männer waren eine leibhaftige Bedrohung. Und Elsa hatte ihre und die Nachlässigkeit ihrer Kolleginnen und ihres Zuhälters mit dem Leben bezahlt. Ich hab bloß Glück gehabt, sonst nichts, hatte sich Ariane oft gesagt.
Und den Kerl, der jetzt, mitten in der Nacht, in ihrer Wohnung stand, betrunken, stinkend, aggressiv, würde sie einfach bitten zu gehen. Und wenn er zuschlug, würde sie geschickt genug sein, seine Besoffenheit auszunutzen, auf die Straße zu laufen und die Polizei zu rufen. Oder die Pistole aus der Schublade zu holen. Und abzudrücken.
Von seinem kalten Griff taten ihr die Hände weh.
»Du musst gehen«, sagte sie.
Er stöhnte. Und sie fürchtete schon, er müsse sich übergeben.
Aber er hob den Kopf und stützte die Hände auf den Oberschenkeln ab.
»Sorry«, sagte er heiser.
Sie zog den Gürtel ihres Morgenmantels enger. »Geh jetzt! Bitte geh jetzt!«
»Gleich«, sagte er. Schüttelte den Kopf hin und her. Stieß wieder einen grunzenden Laut aus. Und richtete sich auf.
Ariane warf einen Blick in die Küche.
»Ich… ich bin froh, dass du… dass du…« Er war zu betrunken, um noch klare Sätze sagen zu können. Er hatte nicht nur eine Alkoholfahne. Er verbreitete einen Moder und Rauchgestank.
Mit einer raschen Drehung war sie in der Küche. Täuschte einen Hustenanfall vor und riss die Schublade auf. Griff hinein.
Und erwischte statt der Pistole ein Kartoffelmesser. Ihr blieb keine Zeit. Unauffällig ließ sie das kleine Messer in der Tasche ihres Morgenmantels verschwinden. Und drehte sich um. Der Kerl lehnte nicht mehr im Türrahmen.
Vorsichtig setzte sie einen Fuß vor den andern. Sie war barfuß.
Vor der Küchentür hielt sie inne. In der Tasche umklammerte sie das Messer mit
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