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Verzeihen

Verzeihen

Titel: Verzeihen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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hab eine neue Freundin.«
    »Haben Sie in letzter Zeit weite Reisen unternommen? Nach Afrika? Nach Asien?«
    »Nein.«
    »Haben Sie schon einmal einen Test gemacht?«
    »Ja.«
    Er hatte alle Fragen beantwortet. Die Prozedur dauerte keine zehn Minuten. Natürlich war der Test überflüssig. Er hatte nichts zu befürchten. Wo sollte er sich infiziert haben? Ich bin sauber.
    Warum hatte er den Test dann gemacht? Wegen ihr.
    So schnell bilden sich keine Antikörper. Das weiß jeder Arsch, du Arsch!
    In drei Monaten war der entscheidende Termin. Jetzt ging es nur um ein Spiel. Einen Probelauf. Eine Trockenübung.
    Er hatte unbändigen Durst. Im Bad drehte er den Wasserhahn auf und sah ein Gesicht über den Spiegel huschen. Er drehte sich um und spuckte in die Dunkelheit.

18
    J emand zu observieren verunsicherte ihn. Er hatte immer das Gefühl selbst beobachtet zu werden. Und im Auto zu sitzen beengte ihn. Er würde es vorziehen, die ganze Zeit die Straße auf und ab zu laufen, vielleicht sogar mit falschem Bart und Brille.
    Anders als vom Auto aus, dem anthrazitfarbenen Dienstwagen, konnte er die Pension nicht im Auge behalten. Dennoch sah er alle paar Minuten in den Rückspiegel, um sich zu vergewissern, dass niemand auf ihn aufmerksam geworden war.
    Früher hatte Tabor Süden gelegentlich an Observationen teilgenommen. Doch die Technik des Schütteins, wenn sich die Kollegen bei der Verfolgung ständig abwechselten, hatte er nie richtig beherrscht. Manche nahmen besonders engen Kontakt zum Objekt auf, andere hielten größeren Abstand. Und er konnte sich nie entscheiden. Im Gegensatz zu seinem Freund Martin Heuer. Dessen Strategie war es, so nah wie möglich aufzufahren. Und für den Vordermann unsichtbar zu bleiben.
    Meist war es Süden gewesen, der zuerst ausgewechselt wurde, weil die Gefahr bestand, dass das Objekt ihn bemerkte.
    In einem parkenden Auto hatte er erst ein einziges Mal eine Observation durchgeführt. Das war bei der Jagd auf einen Dealer gewesen, der unter Mordverdacht stand. Allerdings saß der Kerl im Rollstuhl, und es war keine große Kunst, ihm auf den Fersen zu bleiben. Süden hätte ihn trotzdem beinah verloren.
    Er war eingeschlafen und erst im letzten Moment durch ein zufälliges Autohupen aufgewacht.
    Das würde ihm nicht mehr passieren. Er hatte die Absicht, die kommenden Nächte in diesem Auto zu verbringen, egal, ob Thon dies guthieß oder nicht.
    Natürlich hieß er es nicht gut. Und das war logisch. Welchen Grund hätte sein Vorgesetzter, die Beschattung eines Mannes anzuordnen, der nicht unter Verdacht stand? Noch wusste Thon nichts davon. Zudem hatte ihm Süden kein Wort von Schilffs nächtlicher Vernehmung erzählt. Was am Montag einen jener dezernatsbekannten Belehrungsmonologe zur Folge haben würde, die der Leiter der Vermisstenstelle besonders gern an Süden richtete. Alleingänge verurteilte Thon. Und Süden konnte sich seine Arbeit ohne Alleingänge nicht vorstellen.
    Er sah hinüber zu dem fünfstöckigen Betonkasten mit den gelben Balkonverschalungen. In keinem Fenster brannte Licht.
    Sämtliche Zimmer der »Pension Odetta« gingen auf den Hinterhof hinaus, der an zwei Seiten von einer Mauer umschlossen wurde. Wie Süden sich überzeugt hatte, gab es keine anderen Möglichkeiten als durch den Hinterausgang und die Toreinfahrt oder durch die Haustür an der Vorderseite das Gebäude zu verlassen.
    Falls Schilff etwas mit dem Verschwinden Ariane Jennerfurts zu tun, falls er sie eigenhändig aus ihrer Wohnung verschleppt hatte, musste es einen Grund geben, den niemand außer den beiden kannte. Und das bedeutete, er würde die Frau nicht irgendwo zurücklassen. Er brauchte sie für etwas. Er war abhängig von ihr. Er konnte unmöglich allein untertauchen.
    Vielleicht waren das Hirngespinste. Aber Süden hatte Schilffs Verhalten beobachtet. Seine Hände. Seine Art aufzutreten. Zu sprechen. Und er hatte ihm in die Augen gesehen. In diesen umschatteten, von dichten Brauen überwölbten Augen war ein unruhiges Funkeln, das Schilff nicht unter Kontrolle brachte.
    Es verriet seine Unsicherheit. Sein Taktieren. Genauso wie das Spiel seiner Finger. Er wollte den Anschein erwecken, seine Gesten seien bloß lässiges Gefuchtel. Und er protzte mit seinem Scheitern. Darin war er eindrucksvoll. Aber er würde es nicht schaffen, Südens Blick zu täuschen.
    Wen der Kommissar ansah, den nahm er nicht nur als Person aus Fleisch und Blut wahr, als Person mit mehr oder weniger gewöhnlichen oder

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