Vic Daniel 1 - Down in the Valley
befanden, wie auf einem Schiff. Sie versuchte, sich an einen langweiligen Kartentrick zu erinnern, den ihr mal jemand beigebracht hatte, und die Karten verstreuten sich zum umpfzehnten Male über unseren Schoß, und, bestrebt, sie aufzuheben, kitzelte ich sie, rein zufällig; das kann ich Ihnen versichern.
»Weißt du, manchmal bist du fast ein Mensch«, sagte sie. »Aber sonst: Vergiß es. Wo liegt überhaupt dein Problem, außer daß du ein bißchen groß geraten bist? Ich für mein Teil war Bettnässerin.«
»Ich nicht«, sagte ich. »Ich habe schon seit Monaten kein Bett mehr genäßt.« Dann berichtete ich ihr zu meinem Erstaunen alles darüber, oder doch zumindest teilweise alles, und ich berichte normalerweise nie jemandem etwas. Muß am Zug gelegen haben.
Ich berichtete ihr von jener Samstagnacht, als ich sechzehn und Tony vierzehn war, damals wohnten wir in Davenport, ich war im Kino gewesen und fand Tony hinter dem Steuer eines fremden Autos direkt vor unserem Haus. Er war stinkbesoffen. Die Autotür war offen, und er kotzte auf die Straße. Ich war nämlich, das ist der Witz, der ältere Bruder, der miese. Er war der kleine Bruder, der liebe. Obwohl ich es noch nicht glauben wollte, wußte ich wahrscheinlich schon, daß Pop im Sterben lag; er ist noch im selben Jahr an dieser Art von Emphysem gestorben, die man kriegt, wenn man sein Leben lang mit Asbestplatten herummacht, obwohl man damals noch nicht wußte, woran es lag.
»Als du sechzehn warst, wußte man wahrscheinlich noch nicht mal, daß es Bakterien gibt«, sagte Sara.
»Ich und Pop kamen nicht übermäßig gut miteinander aus. In der Schule war ich ein Versager und zu Hause ein Klugscheißer, wenn ich es mir leisten konnte. Tony bekam die guten Zensuren. Pop mochte ihn. Ich habe Tony die
Treppe hoch und ins Bett geschafft, ohne daß uns jemand gesehen hat, und dachte, ich fahre mal lieber die Karre weg, die Tony gestohlen hatte, weil es nicht allzu klug gewesen wäre, sie genau vor unserem Haus stehen zu lassen. Ich hatte gerade den Motor angelassen, als die Bullen kamen. Also was sollte ich tun? Sagen, daß Tony die Spritztour unternommen hatte und ich nicht? Ich hielt also die Fresse, etwas, was du hin und wieder auch tun solltest, anstatt unverlangt Witze über mein fortgeschrittenes Alter zu reißen. Ich hielt also die Fresse. Es stellte sich heraus, daß Tony jemanden angefahren hatte, eine halbblinde alte Dame, die ins Krankenhaus mußte. Ich mußte zwei Jahre lang auf eine Farm im Süden, in der Nähe von Springfield, die Teil eines Besserungsprogramms für jugendliche Straftäter war. Falls du je etwas Näheres darüber erfahren möchtest, wie man Himbeersträucher unkrautfrei hält, kannst du mich fragen. Oder wie man Melonen hackt.«
»Okay«, sagte sie. »Wie hackt man Melonen?«
»Auf die schwierige Tour«, sagte ich. »Mit einer Hacke, die zu kurz für einen ist. Ach, scheiß drauf, das ist alles lange her; ich weiß gar nicht, warum das immer noch wichtig sein soll.«
»Ich aber«, sagte sie. »Für mich ist es genauso lange her, und es ist immer noch wichtig. Also was ist weiter passiert? Mach schon, mach schon.« Sie verkrallte sich in meinem Arm. Ich tat, als täte das weh.
»Aua!« sagte ich. »Laß das. Sie haben mir einen Job verschafft; was soll denn sonst passiert sein? Ich war ein Jahr lang auf Bewährung; ich hab Post sortiert. Dann hab ich einen Job als Rausschmeißer in einem Rockschuppen in Davenport gekriegt, oder was damals so in Davenport als Rockschuppen durchging.«
»Du warst bestimmt ein guter Rausschmeißer«, sagte sie, »wenn man bedenkt, wie groß und blöd du bist.«
»Adäquat«, sagte ich. »Später besteht mein lieber, guter Musterbruder eine Prüfung und wird Polizeischüler. Kein Problem, Klassenbester und so weiter. Noch später wird mir ein mehr oder weniger respektabler Job als Chauffeur Schrägstrich Leibwächter für diesen Knaben angeboten, der in unserem Schuppen als Sänger angefangen, dann aber Erfolg hatte; er war sogar ziemlich gut, aber ich brauchte einen Führerschein, um in die Legalität zurückkehren zu können, und setzte Tony unter Druck, damit er meine Akte verschwinden läßt. Dann hab ich in einem Saftladen in Baton Rouge einem Monster von den Hell’s Angels seine eigene Kette um die Ohren geschlagen, worauf er von der Bühne gefallen ist und sich die Rübe angeschlagen hat. Koma, Anwalt. Der Anwalt sagte, der Angel habe einen Hirnschaden davongetragen, und ich sagte, er
Weitere Kostenlose Bücher