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Viele Mütter heißen Anita

Viele Mütter heißen Anita

Titel: Viele Mütter heißen Anita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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freiwillig und von ihr gekommen war! Ein geschickter Schachzug … aber leider zu leicht zu durchschauen!« Campo wandte sich an die Geschworenen, die still und von der Dramatik des Gespräches beeindruckt neben ihm saßen. Es waren biedere Bürger … ein Müller, ein Klempnermeister, ein Sparkassenangestellter und ein kleiner Architekt. In ihren Händen lag das Schicksal Moratallas, und sie blickten hinüber zu den Zuschauern, wie sie wohl dachten, sahen zur Pressebank und waren sich sehr uneinig, was nun Wahrheit oder Recht war.
    Campo blickte sie an. »Wir werden gleich die internationalen Sachverständigen hören. Die schriftlichen Urteile liegen vor mir – sie sprechen sämtlich von einer Verantwortungslosigkeit und einer Leichtfertigkeit dem Leben eines Menschen gegenüber! Beginnen wir gleich mit dem Zeugenverhör. – Zeuge Professor Doktor Dalias.«
    Der Gerichtsdiener rief den Namen auf dem Flur, und Dalias stürzte in den Saal. Er sah Moratalla nicht an, sondern ging bis zum Zeugenstand und blieb dort schweratmend stehen. Er hatte vor der Tür die bisherige Verhandlung mitgehört, und der Zorn auf Campo machte ihn wild und gefährlich. Seine Personalien schnarrte er herunter und hielt sich dann, vor Erregung bebend, an einem Stuhl, der vor ihm stand, fest.
    »Ich habe zu sagen«, begann er, »daß ich heute morgen mein Amt im Gesundheitsministerium niedergelegt habe! Ich kann mich nicht mit einer Behörde einverstanden erklären, die in unmöglicher kurzsichtiger Form einem der größten Ärzte unserer Welt die Hände binden will, weil er klüger, mutiger und größer ist als sie alle zusammen!«
    Im Saal klatschte jemand Beifall. Campo riß die Glocke empor und schellte. »Sie haben Moratalla auch gewarnt, Herr Professor?« fragte er.
    »Zuerst, ja. Aber nicht in meiner Eigenschaft als Arzt, sondern als Mitglied einer verstaubten Behörde! Als Arzt bejahte ich das Vorgehen Moratallas voll und ganz und habe ihm sogar in den letzten Stunden geholfen, Anita Torrico zu retten! Die Operation war einwandfrei und einfach wunderbar!«
    »Und der Tod dieser Frau? War er nach Ihrer Ansicht nötig? War er vor dem Eingriff als sicher vorauszusehen?«
    »Nein!« sagte Dalias laut.
    Auf den Pressebänken sprang man auf. Moratalla beugte sich über seine Barriere vor, als wolle er Dalias besser ins Gesicht sehen.
    »Nein?« Campo wischte sich über die Stirn. »Wieso nein?«
    »Weil diese Operation zum erstenmal ausgeführt wurde. Wissen Sie, Herr General, wenn Sie einen Feldzug nach einem neuen Plan beginnen, ob er siegreich wird? Moratalla führte dauernd Schlachten … nicht mit anderen Staaten, sondern mit dem erbarmungslosesten … und unsichtbarsten Feind, den wir Menschen haben – mit dem Tod! Und er hat die Schlachten fast immer gewonnen! Auch diese hier … Juan Torrico lebt! Daß seine Mutter dafür ihr Leben gab, ist ein Opfer, heroischer als das Ausharren unserer Truppe damals im Alkazar! Als er den Eingriff wagte, glaubte er an den Erfolg, wie wir alle … Oder wollen Sie ab heute alle Ärzte des Mordes anklagen, unter deren Händen ein Patient stirbt? Denken Sie an die erste gelungene Nierentransplantation im Pariser Necker-Krankenhaus, in dem man dem jungen Marius Renard eine Niere der Mutter überpflanzte! Auch dieser Eingriff war einmalig … und er gelang!«
    Campo sah auf seine Akten. Seine Stimme war plötzlich leiser und gemischt mit einem Ausdruck von Bedauern.
    »Marius Renard ist gestorben …«, sagte er.
    »Nein!« Moratalla war aufgesprungen und klammerte sich an das Geländer. »Er ist tot!?«
    »Ja. Nach dreiunddreißig Tagen, als die neue Niere schon arbeitete, wurde sie schwarz und vergiftete das Blut. Man hat durch zehn Bluttransfusionen versucht, das vergiftete Blut zu erneuern … umsonst. Marius Renard starb am Dienstag, dem 27. Januar. Damit ist die elfte Nierenverpflanzung, die man wagte, mißlungen!«
    Dalias sprang vor. Er stürzte dabei den Stuhl um … laut krachte er zu Boden, und der Fall hallte in dem weiten, stillen Saal wieder.
    »Sie ist mißlungen!« schrie er laut. »Aber bitte, Herr General, fragen Sie bei Ihrem Pariser Justizkollegen an, ob er gegen die Chirurgen Anklage wegen Mordes erhoben hat!«
    Die Zuschauermenge im Saal glich einem Volksauflauf. Man klatschte, man schrie vor Begeisterung, und die Glocke Campos war machtlos, und ihr dünnes Schellen ging in dem zustimmenden Geschrei von dreihundert Kehlen unter. Sie stehen zu mir, dachte Moratalla glücklich.

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