Viele Mütter heißen Anita
Klotz in ihrer stillen, liebenden, fraulichen Art und veredelte seine Rauheit in den heißen Nächten, die sie in der Kammer ganz allein für sich hatten.
Pedro sagte ihr etwas und ging dann aus dem Hühnergatter. Sein Schritt war schwer wie der Boden im Frühjahr, wenn er in dicken Klumpen an seinen Stiefeln hing, die die frische Furche entlangtappten.
Anita stand im Stall und nahm Juan die Gabel aus der Hand, mit der er das Stroh in den Kuhboxen verteilte. Das Vieh hatte er auf den Hof getrieben, wo es schreiend stand und auf den Abtrieb auf die kärglichen Weiden wartete.
»Laß das, Juan«, sagte sie und schob den Sohn zur Seite, selbst das Stroh verteilend. »Geh mit den Kühen auf die Wiesen. Du kannst sie über Mittag draußen lassen, wenn es nicht zu heiß wird. Und sieh zu, ob du im Dorf bei Granja neue Seile bekommst. Ricardo Granja hat die besten Kuhseile in der ganzen Umgebung.« Und als er ihr die Gabel aus der Hand nehmen wollte, rief sie: »Laß das, Juan! Und geh schon …!«
Als er den Stall verließ, traf er auf Pedro, der eintreten wollte. Sie grüßten sich nicht – sie schoben sich aneinander vorbei, ohne daß einer dem anderen die Tür freigab. Und dann nahm Pedro der Mutter die Gabel aus der Hand und verteilte das Stroh, und Anita ließ es ohne Gegenwehr geschehen …
Juan Torrico aber ging auf die Weiden. Er trieb die Kühe vor sich her und kletterte den Hang hinab, auf dem das Haus lag. In einer Senke, in der Nähe des Rio Montoro, breiteten sich die Wiesen aus. Sie waren braun von der unbarmherzigen Sonne, das Gras war hart, wie versengt, ohne Kraft … aber die Kühe rupften es mit ihrer rauhen Zunge und drückten sich dann in den Schatten einiger Pinien, wo sie sich ächzend hinwarfen und das kärgliche Mahl wiederkäuten.
Juan lag in einer Ecke der Weide unter einem Busch und hatte die Knie angezogen. Ein kleiner Block Papier stützte sich an seine Schenkel, und auf dem Papier waren wunderliche Figuren mit einem Bleistift gezeichnet … Pferde und Kühe und Menschen … die Mutter, wie sie am Herd stand, der Bruder, wie er dick und breit einen Stier wegführte, die schöne Schwägerin, wie sie in der Sonne auf einer Bank saß und Mandoline spielte – die einzige Musik, die an gütigen Abenden das Dunkel und die Dumpfheit des Hauses erleuchtete. Und es waren noch mehr Figuren auf dem Papier … ein Brunnen mit wassergelben Nixen und das Standbild eines Mannes in glänzender Uniform, mit Orden auf der Brust und einem herrischen Blick in die Weite. Der Caudillo Franco war es … Juan kannte ihn nur aus alten Illustrierten, die die Zigeuner, die weit herum ins Land zogen und Städte und Menschen kannten, mitgebracht hatten und gegen eine Handvoll Apfelsinen eintauschten. 20. Mai 1949 stand auf dem Titelbild der Zeitung, und Juan hatte die Bilder mit heißen Wangen betrachtet und sich hineingeträumt in diese Welt, die ihm ein Märchen schien.
Er schloß die Augen und lauschte auf das Rauschen der Pinien. Ein Wind wehte über die Santa Madrona. Ein heißer Wind … aber er war voller Musik, und deshalb war er schön. Mochten auch die Bauern jetzt fluchen und die Gärten sprengen, mochte Pedro jetzt hinauseilen auf die Felder und versuchen, in kleinen Gräben das wenige Wasser der Handpumpe umzuleiten … der heiße Wind kam von weit her … von Afrika vielleicht oder von Sevilla oder von Malaga oder von Granada oder weit her übers Meer … Die Welt war ja so groß und so schön, und man mußte die Augen schließen, um diese Weite zu genießen, denn wenn man sie öffnete, sah man nur die Kuppen der Santa Madrona oder der Sierra Morena und das schmutzige Wasser des Rio Montoro, auf dessen schwachen Wellen der Staub Castillas nach Süden trieb.
Ein paar Blätter fielen auf sein Gesicht. Er lächelte und schob sie mit dem Handrücken zur Seite. Aber das Rieseln ließ nicht nach, und er richtete sich auf, den wunderlichen Strauch zu betrachten. Erschreckt zuckte er empor. Ein Mädchen stand hinter ihm und streute die Blätter mit lachendem Mund über ihn.
Verwirrt erhob er sich und klopfte den Staub ungelenk von seinem Rock und der vielfach gestopften Hose. Dann wagte er wieder einen Blick und sah, daß das Mädchen sehr hübsch war, daß es schwarze Locken hatte, einen schlanken, biegsamen, jungen Leib und schöne Beine, die ein weiter Seidenrock halb verdeckte.
»Ich habe Sie gestört?« fragte sie ihn, und ihre helle, so kindliche Stimme riß ihn vollends empor. »Ich sah Sie
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