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Vielen Dank für das Leben

Vielen Dank für das Leben

Titel: Vielen Dank für das Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Berg
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Zum Sterben zu wenig, für ein Wohlgefühl zu viel. Das Erbrechen, die Übelkeit, der Gewichtsverlust, die dünnen Haare? Eine fragile Form der Strahlenkrankheit. Leukämie, mein Freund. Oder soll ich Freundin sagen? Was hättest du denn gerne, es ist dein Ende, du kannst wählen.
    Es hat dich keiner geliebt. Wie auch, du bist eine Mutation, du bist etwas, nach dessen Berührung man den Wunsch verspürt zu duschen. Du bist überflüssig. Ich wollte dir beim Sterben zusehen, seit ich dich getroffen habe, damals im Waisenheim, erinnerst du dich, an deine erste Liebe. Gottchen, du warst schon immer schwul.
    Komm mir nicht nach, klingel nicht an meiner Tür. Ich drehe mich um und gehe aus deinem Leben. Es hat mich nie gegeben. Für dich.
    Das war die Rede gewesen, von der Kasimir nur die letzten Sätze sagte. Es war zu heiß für poetische Ausführungen.
    Toto war in sich zusammengesunken, Make-up verwischte ihr Gesicht, eine traurige Spur, die unterste Stufe der Trostlosigkeit war erreicht, dort, wo sie Verzweiflung wird. Und nicht mal ein Wind wehte. Es war alles so still, so heiß, so egal.
    Und nun war Kasimir alleine in seiner Wohnung, die ihn langweilte, in dieser Plastikstadt, er hatte alles gesehen, alles konsumiert, für morgen waren Tornados angesagt. Kasimir öffnete das Fenster.

Und weiter.
    Toto hatte geahnt, dass sie irgendwann zu müde sein würde, um der Tatsache, dass die Welt ohne sie weiterbestehen würde, große Beachtung zu schenken. Kommst du mit in die Stadt, fragte Béatrice. Eine alte Obdachlose, im letzten Jahrtausend geboren und aufgewachsen, geprägt von einer merkwürdigen Welt, die noch gekämpft hatte. Gegen die Natur und gegeneinander. Heute hatte man den Untergang akzeptiert und hing schlaff in den Seilen. Es gab doch hervorragende Frühwarnsysteme; kippte irgendein ökologisches Gleichgewicht auf der Welt, registrierte man es mit Achselzucken, denn die Wissenschaft wird eine Lösung finden, sie finden immer eine Lösung, es wird gutgehen. Es geht immer gut aus, für die meisten jedenfalls.
    Schon längst gab es Hallen, in denen Winter nachgestellt wurden, überdachte Gebiete, in denen Seen wuchsen. Man hatte sich arrangiert, und die neue Generation vermisste nichts, ab und zu gab es ein Großes Sterben, aber das ging einen ja auch nichts an, entweder war man dann eben tot, oder man gehörte zu denen, denen so etwas nicht passierte. Menschliches Leben wird ja nur von denen überbewertet, die etwas Geliebtes verlieren. Im Fluss der Zeit, in der Aneinanderreihung der Evolution ist der einzelne meist komplett ohne Bedeutung. Außer ein paar Revolutionären, Erfindern, Diktatoren war der Rest völlig uninteressant.
    Toto sah Béatrice an. Nein, ich bleibe heute hier, danke. Béatrice schlurfte in die Stadt, um von Bäckereien und Touristen etwas zu erbetteln, Toto sah in die Sonne, es würde wieder heiß werden, und ihr fielen Folkloreblusen ein. Bestickte Scheußlichkeiten aus Bulgarien, nach denen die Mädchen früher verrückt waren, als es Bulgarien noch gab und es nicht einfach ein uniformer Teil der Welt war, in der fast alle nur mehr Englisch sprachen.
    Früher, als Menschen noch nach etwas verrückt waren.
    Toto legte sich wieder hin. Sie hatte es sich nett gemacht. Eine Villa aus Styropor und Kartons, das war Totos Haus. Es war sauber, es sah reizend aus, wollte einer der anderen unter der Brücke etwas von ihr, machten sie klopfklopf. Mit ihr wohnten hier Béatrice, die früher Krankenschwester gewesen war, und drei ehemalige Biologielehrer. Am Bild der fröhlichen Clochards hatte sich nicht viel geändert in den letzten hundert Jahren, außer dass es keine Zeitungen mehr gab, auf denen man hätte übernachten können. Toto sah in den Himmel, den konnte man sehen neben der Decke des Tunnels, es gab nur noch Regen oder nicht Regen, alle anderen Jahreszeiten waren auf elegante Art zusammengeflossen zu etwas Warmem. Das würde wohl alles so weitergehen, ohne sie. Die Menschen werden überleben, es wird noch wärmer werden, vielleicht werden alle irgendwann braun, um die Haut vor der Sonne zu schützen, vielleicht wachsen ihnen Schwimmhäute wegen der ständigen Überflutungen. Doch sie bauten schon fleißig Dämme, und an die Hässlichkeit hatten sie sich doch auch gewöhnt. Ab und zu kamen indische Touristen und fotografierten die Obdachlosen, verschwanden jedoch schnell und verstört, wenn Béatrice sich zum Wasserlassen hinkauerte.

Es war Béatrice
    ein Vergnügen, Touristen mit

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