Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vielen Dank für das Leben

Vielen Dank für das Leben

Titel: Vielen Dank für das Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Berg
Vom Netzwerk:
die Wohnung, entzündete Duftkerzen, die dezent nach Ginster rochen, oh, ich husche durch die Wohnung und entzünde Duftkerzen, dachte sie dabei und wartete, dass Kasimir sich ihr zuwenden wollte. Sie hatte keine Angst davor, nochmals geschlagen zu werden, sie fürchtete das Ende der Beziehung nicht. Außer dem Impuls, etwas zu kaufen und dadurch glücklich zu sein, fühlte sie nichts in jener Zeit, die immer heißer werdenden Tage des Frühsommers vor dem Fenster.
    Dort war es ruhig geworden, seit es kaum mehr Benzin gab und nur wenige mit kostspieligen Elektroautos verkehrten, der Rest blieb zu Hause in den Vororten oder fuhr mit dem Zug. Aber wohin nur. Es war Sonntag, die Ufer der Seine fast leer, über der vor Hitze dampfenden Stadt lag schwere Müdigkeit.

Kasimir erhob sich
    am späten Nachmittag von seiner Liege und blickte über einer Lektüre zu Toto.
    Wir sollten uns ein wenig bewegen, sagte er, und natürlich war Toto einverstanden.
    Sie war mit allem einverstanden, sie hatte sich irgendwann verloren, zwischen Übelkeit, Schmerzen und Ratlosigkeit. War verschwunden, und ihr Körper war noch ein wenig anwesend.
    Sie gingen spazieren, an der Seine gingen sie, da, wo früher die Seine geflossen war, gingen sie, wo nun ein kleiner übelriechender Bach stand, da war es wieder, dieses: Weißt du noch, früher sind hier Schiffe gefahren, früher gab es Flüsse, in denen man schwimmen konnte, und Kasimir gähnte.
    Sie gingen spazieren an der Seine und machten Konversation. Es ist so einfach, sich zu unterhalten, wenn man in Sätzen aus einem Satzbaukasten spricht.
    Die Uferbegradigungen waren der Beginn des Untergangs der Natur. Sagte Kasimir.
    Eine Große Langeweile lähmte die Welt. Als sei schon alles erfunden, gedacht und konsumiert, die Großen Schlachten geschlagen, die Erdbevölkerung erstarrt in Ratlosigkeit, in einem ständig fragenden: Und jetzt?
    Und jetzt? fragte Toto. Wollen wir ein wenig Spargel kaufen und nach Hause gehen?
    Kasimir hatte gewartet.
    Er wartete seit bald fünfzig Jahren auf das Finale, da kam es doch auf ein paar Wochen nicht an.
    Wollen wir ein wenig Spargel kaufen und nach Hause gehen, hatte Toto gefragt, an einem heißen Spätnachmittag im Frühsommer, als die Welt vor Langeweile apathisch lag.
    Kasimir hatte zusammen mit der Welt stillgestanden. Er hatte gewonnen. Hatte beobachtet, wie Toto sich das Theaterstück eines kleinen Glückes inszenierte, mit ihren Duftkerzen, den Spaziergängen, der Topffrisur. Er sah, dass Toto sich entspannte und dass sie alles verlor, was sie ausgemacht hatte. Die Naivität, das Vertrauen in sich und ihre Liebenswürdigkeit, waren etwas gewichen, das wie ein schwarzes Gespenst am Ufer der Seine entlangschlich. Kasimir bemerkte, dass Toto jeder Schritt eine Qual war, dass sie in sich zusammensinken wollte und dass es ihr an Energie fehlte, ihr Leben wieder an sich zu nehmen.
    Der Moment, nachdem er Toto am Ufer hatte stehenlassen, war berauschend gewesen. Es erinnerte Kasimir an die Zeit, als er noch Drogen nahm, bevor ihm klargeworden war, dass der Entzug die Sache nicht wert ist, die unendliche Langeweile, komprimiert und kalt, nachdem die Wirkung nachlässt. Toto, die so fassungslos geschaut hatte, in ihrer lächerlichen Frauenverkleidung, die alte Trine, immer kleiner werdend, je größer der Abstand war, den Kasimir zwischen sie brachte. Ein kleiner trauriger verkleideter Hund.
    Die Rede hatte er sich vorher tagelang überlegt.
    Hör zu, ich habe dich nie geliebt. Nicht einmal besonders gemocht habe ich dich. Der beste Moment unserer Beziehung, die es nie gab, war, als ich dich geschlagen habe. Auf deinen unangenehmen Kopf geschlagen, es hat mich ein wenig angeekelt. Ich habe dich nie gerne berührt, es war eine sadistische Freude, ein masochistischer Ekel, wir, denen die Welt gehört, sind alle Sadomasochisten, weißt du. Ich habe dich angesehen am Morgen und wollte nur eins, dich am Ende wissen, deinen Körper von Geschwüren bedeckt, dein Gesicht im Schmutz, ich wollte mit dir sterben sehen, was ich nie war. Gut. Verstehst du, du Trottel. Ich wollte das Gute sterben sehen, damit ich im Recht bleibe. Doch es ist mir zu langweilig geworden, dein Gesterbe, Gekotze, deine Anhänglichkeit, dein alberner Versuch, dich für mich hübsch zu machen, du Missgeburt, du wirst immer nur eine verkleidete Missgeburt sein, das weißt du doch. In deinem Körper feuert radioaktives Material seit Jahren Salven gegen deinen Organismus, hervorragend eingestellt.

Weitere Kostenlose Bücher