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Vielen Dank für das Leben

Vielen Dank für das Leben

Titel: Vielen Dank für das Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Berg
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Regionen des Körpers verlagert hatte. Mit großer Verzögerung wurde ihr klar, dass es Kasimir war, der da hinter ihr stand und sie schlug.
    Er verließ den Raum so schnell und geschmeidig, wie er ihn betreten haben musste, so dass Toto, die anschließend auf dem Zebravorleger saß und sich Blut aus dem Nacken wischte, der über ihr Schlüsselbein rann, nicht wusste, ob sie sich den Vorgang eingebildet hatte.
    Es war noch nicht in Totos Bewusstsein gelangt, dass sie geschlagen worden war, von dem Menschen, mit dem sie ihr Leben verbringen wollte. An den sie sich geklammert hatte, in der Nacht, und mit dem sie gelacht hatte, in allen Ecken der Wohnung, auch hier auf diesem blöden Vorleger, auf diesem monströs toten Tier.
    Als sie verstand, was da passiert sein musste, wurde ihr klar, dass sie wohl jetzt gehen sollte. Das muss man doch, als geschlagener Partner einer Beziehung, um die es nicht zum Besten stand. Unbedingt, sofort würde sie die Wohnung verlassen, die Treppen hinunter aus der Tür, die Straße runter und dann geradeaus. Einfach weggehen, es würde sich wieder etwas finden. Etwas Neues, sie war noch nicht alt, sie konnte noch nicht umfallen und tot sein, da gab es Jahre abzusitzen.
    Sie würde gehen müssen, das gehört sich doch so für geschlagene Frauen, die müssen in ein Frauenhaus, das ist doch eine Frage der Ehre. Ehre, so etwas wie Vaterlandsstolz und Manneskraft. In Unehren entlassen, aus dem wichsenden folgeleistenden Männerbund geflogen, wegen Ungehorsam. Die Ehre einer Frau kann durch eine Hymen-Wiederherstellung gerettet werden. Sechzehn Millionen Frauen zu wenig in Asien, sorgfältig abgetrieben, getötet, die Frauenföten, und nun kommen die Inder und Chinesen, um sich verarmte Europäerinnen zu suchen, vielleicht fände sich ein netter indischer Mann, der Toto heiraten wollte, und sie würde mit ihm in Bangalore wohnen und die Computerfirma ihres übergewichtigen, einmeterfünfzig großen Gatten reinigen.
    Wie sollte sie dieses Bad verlassen, das Zebra, wie sollte sie Kasimir begegnen, da draußen. Da draußen, Kilometer entfernt, saß der Mensch, den Toto hatte beschützen wollen. Und der sie nicht beschützt hatte. Er hat dich geschlagen. Sagte es von irgendwoher. Du musst gehen, du bist es deiner Würde schuldig. Toto zuckte zusammen. Schon wieder so ein Wort, das nichts mit ihren Gefühlen zu tun hatte. Das würdevolle Altern hatte sie verpasst, das meinte, verschwindet Alte, räumt die Datenautobahn, verzieht euch auf Intensivstationen, dann seid ihr wenigstens noch als Wirtschaftsfaktor zu verwenden, nun, nachdem die Kliniken alle privatisiert worden sind. Wenn sie sich nur ernst genug nähme, die Wohnung verlassen, sofort, und die Tür hinter sich zuwürfe, wenn sie nur aufrecht in ein neues Leben laufen könnte, aber die Beine wollen nicht, das Herz will nicht, das Herz. Lag neben der Ehre unten links. Neben der Verzagtheit. Toto wollte gerne mit dem Fell verschmelzen, es war ihr völlig unmöglich, sich zu bewegen. Diese dauernde Kränkung, das Herumgelebe, und keiner klopft einem mal auf die Schulter, Mensch, wie toll, dass du das alles aushältst.
    Doch überraschenderweise, nein, da war niemand.
    Irgendwann konnte Toto dann wieder atmen, sie musste diesen Moment nutzen, atmen, aufstehen, rausgehen, die Wohnung verlassen, ja, genau das würde sie jetzt tun.

Kasimir sank
    in seinen Sessel. Seine Handknöchel schmerzten. Hoppla, die Hand steckte zwischen seinen Zähnen. So eine Wut. So ein unbeherrschtes Ding war er.
    Kasimir hasste sich, er hasste Toto, er hasste die Situation, die außer Kontrolle geraten war. Das alles war so nicht geplant, eine Beteiligung seines Gefühls war nicht vorgesehen gewesen. Er hatte sich das Finale so elegant vorgestellt.
    Kasimir hatte den Arzt, einen Psychopathen, den er damals bezahlt hatte, fast vergessen. Er erinnerte sich nur an die Wunderwelt der Medizin und an das radioaktive Stent, das im Rahmen seiner kleinen Operation, leider war es nicht die Entfernung der Niere gewesen, in Totos verkrüppelte unbrauchbare Gebärmutter eingepflanzt worden war und das nun langsam zum völligen Kollaps des Systems führte.
    Kasimir hatte sich die Pariser Wohnung vorgestellt, voller Lilien, Schubertlieder vom Grammophon, Toto sterbend auf dem Daybed, die Bezüge hätte man ja danach wechseln können, er hatte sich gesehen, Totos Hand in den letzten Sekunden haltend und ihm dann beim letzten Atemzug die Wahrheit sagend: Ich habe dich vernichtet. Nun bin

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