Vielleicht will der Kapitalismus gar nicht, dass wir gluecklich sind
das Steigerungsspiel prädestiniert – eben die Mentalität des »Puritaners in uns allen«, der im »kalifornischen Kapitalismus« gegenwärtig seine reinste Form gefunden hat. Die Mentalität , der »Geist«, ist vor der kapitalistischen Entwicklung da, das ist die fundamentale Einsicht, die auf Max Weber zurückgeht. Am Anfang war die protestantische Arbeitsethik, ohne die der Industriekapitalismus nie hätte entstehen können. Ich habe Weber für unsere heutige Gesellschaft aktualisiert, indem ich die Spur des immer noch mächtigen puritanischen Geistes ins Heute nachzeichne: Wie sich der Anspruch der Arbeit als Höchstwert der Gesellschaft mitten im Überfluss erhalten konnte. Es ist eben nicht der Kapitalismus als solcher oder irgendwelche Marktgesetze, die uns daran hindern, ein gutes Leben zu führen. Auch die Spieltheorie schreibt uns keinen kollektiven Ego-Trip vor, sondern eine seit jeher der Nutzenmaximierung verpflichtete puritanische Kultur bedient sich der Spieltheorie, um uns noch besser ihrer Steigerungslogik unterwerfen zu können.
Da wir der Arbeit und (vermeintlichem) beruflichen Erfolg zu viel Bedeutung für unser Selbstwertgefühl beimessen, vernachlässigen wir darüber die Glücksgüter, die uns tatsächlich mehr Zufriedenheit schenken. In nachdenklichen Momenten wissen wir das auch. Also sollten wir die Konsequenz ziehen und zuallererst weniger arbeiten, besonders in Lebensphasen, in denen wir Glück versäumen, wenn wir zu viel Zeit mit Arbeit verbringen: bei der Familiengründung zum Beispiel. 4 Ein Vorteil von weniger Arbeit ist weniger Überlastung, weniger Stress, keine Überstunden mehr. Dazu brauchen wir in den Unternehmen obligatorische Teilzeit-Modelle. Dazu muss das Arbeitsrecht flexibler werden, wobei wir darauf achten müssen, dass die Flexibilität nicht dazu benutzt wird, um die Beschäftigten immer verfügbarer zu machen.
Weniger Arbeit hat aber auch Nachteile. Es ist klar, dass das die Karriere nicht begünstigt, denn in vielen Unternehmen wird mittlerweile davon ausgegangen, dass die intrinsisch motivierten Mitarbeiter ihr Privatleben komplett »ihrer Berufung« vulgo der Firma unterordnen. Jobs bei solchen Arbeitgebern, die keine Rücksicht auf die Work-Life-Balance nehmen, muss man um seiner inneren Balance willen vermeiden. Betriebskindergärten, Jahres- und übertragbare Lebensarbeitszeitkonten, Auszeiten, Familienfreundlichkeit, das müssen die Inhalte der Tarifvereinbarungen werden, das müssen die Themen beim Bewerbungsgespräch sein.
Weniger Arbeit bedeutet aber auch weniger Einkommen. Machen wir uns nichts vor. Die Kunst besteht darin, den Ausfall beim Einkommen durch eine glücklichere Lebensbalance auszugleichen oder zu übertreffen. Das müsste, wenn die Gleichungen der Glücksforschung richtig sind, gar nicht so schwer sein. Angenommen wir verbringen die gewonnene Zeit mit den Kindern, dem Hobby und/oder etwas Sport, dann hat sich die Sache in punkto Zufriedenheit schon gelohnt. Aber nur solange wir es auch schaffen, aus diesen Bereichen den Optimierungsgedanken ein für alle Mal zu verbannen.
Für mittlere und höhere Einkommen ist das unproblematisch, denn die Besserverdiener wissen, dass sie auch mit einem etwas geringeren Einkommen gut auskommen. Schwierig ist das für die unteren Einkommensbezieher, zumal deren Lohnniveau stagniert und die Arbeitsbedingungen schlechter geworden sind. Einige schlagen ein Grundeinkommen vor, das jedem Bürger zusteht und ihn zu einer Art Rentier macht. Dass dies Trägheit befördert, wird dabei gar nicht geleugnet, sondern ist erwünscht, denn die Arbeitsanreize sollen ja vermindert werden. In meinen Augen ist das Grundeinkommen keine Lösung. Der engagierten Klavierlehrerin oder dem schlecht bezahlten Sportcoach würde das zusätzliche Grundeinkommen den Arbeits- und Verfügbarkeitsdruck nehmen. Sie könnten sich ihr Leben besser einteilen. Aber ob das Grundeinkommen jungen Erwachsenen in der zweiten Generation mit Hartz-IV-Bezug zu einer erfüllten Lebensbalance verhelfen würde, wage ich sehr zu bezweifeln. Was die Anhänger des Grundeinkommens übersehen, ist, dass Geld kein Glücksgut ist, sondern nur Mittel, um Glücksgüter zu erwerben. Man kann aber auch Drogen und Fastfood davon kaufen. Wenn das Grundeinkommen dazu dienen soll, die Zufriedenheit zu heben, darf es dem Staat nicht egal sein, wofür das Geld verwendet wird. Das ist es ihm ja bei der Förderung etwa von erneuerbaren Energien auch nicht. Das
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