Vielleicht will der Kapitalismus gar nicht, dass wir gluecklich sind
Vielzahl an depressiver Nervenschwäche erkrankter Persönlichkeiten, wie sie von Catherine Beecher geschildert wurden oder auch von Charles Beard, dem Entdecker der Neurasthenie. Er warf dem Calvinismus vor, er lehre die Kinder, »glücklich sein sei etwas Schlechtes« (Ehrenreich 2010, S. 97).
15 James schreibt über die Heilmethode: »Blinde wurden sehend, Lahme konnten wieder gehen, Menschen, die ihr Leben lang behindert waren, sind wieder gesund geworden.« Das erinnert 140 Jahre später an Heilungen bei TV-Evangelisten (James 1997, S. 127).
16 Ehrenreich 2010, S. 106.
17 Dieser pietistische Gedanke, ein reiner Geist erlöse den Menschen, findet sich beim romantischen Dichter Ralph Waldo Emerson, der schrieb, der Mensch könne »seinem Willen nicht nur einzelne Geschehnisse unterordnen, sondern ganze Ordnungen, ja, die gesamte Reihe der Geschehnisse, und dass er so alle Tatsachen seinem Charakter anzupassen vermag« (Emerson 1982, S. 53).
18 Vorläufer der Managementliteratur sind die Vom-Tellerwäscher-zum-Millionär-Geschichten von Horatio Alger, dessen Erfolgsformel Glück, Mut und Tugend lautete, und den Nathanael West in der bitterbösen Satire Eine glatte Million (West 1996) parodierte. Andere Erfolgsautoren sind: Robert Collier, Brian Tracy, Tom Hopkins, Stephen Covey, Jack Welch. Auf evangelikaler Seite mit der schlichten Botschaft, Gott möchte nicht, dass wir arm sind: Catherine Ponder, Wallace Wattles, Florence Scovel Shinn u.v.a.
19 Die Konditionierung von Tieren in Black Boxes funktionierte nicht so, wie der Behaviorist B. F. Skinner lehrte. 1961 sagten sich seine Anhänger K. und M. Breland von ihm los, weil sie in Tierexperimenten Instinkte nachwiesen. Der Verhaltensforscher Konrad Lorenz widerlegte Skinner, indem er zeigte, dass ein Huhn, dem man unterwürfiges Verhalten durch einen Strafreiz aberziehen wollte, nur noch unterwürfiger reagierte. Angeborenes Verhalten wird durch diese »Willenspsychologie« ignoriert.
20 Beim Managerguru Jack Welch äußerte sich der Größenwahn, indem er bei General Electric darauf bestand, dass jeder Geschäftszweig auf Platz 1 oder 2 der jeweiligen Branche zu stehen habe, andernfalls würde er abgestoßen. Das ist unmöglich auf die Gesamtwirtschaft übertragbar (und auch GE hat sich natürlich nicht überall daran gehalten, Bluff eben).
21 Seine millionenfach verkaufte Lehre heißt Das Maximum-Prinzip (Tracy 2003).
22 Ausführliche Darstellung gibt Meyer 1988.
23 Gitomers »Denke nach und werde reich« wiederholt urpuritanische Bekehrungsgeschichten. Wie im Klassiker The Pilgrim’s Progress aus dem 17. Jahrhundert von John Bunyan ist der Held verzweifelt und sehnt sich nach Erlösung, dort noch nach dem Himmel, bei Gitomer nach Geld. Wie Bunyans Held durchlebt er Prüfungen und die »innere Umkehr«, indem er sich von seiner Frau und seinem Geschäft trennt, um sich selbst neu zu erschaffen. Natürlich geht das nur durch harte Arbeit an sich selbst und stetige Selbstbeobachtung zwecks Selbstverbesserung. Gitomer spricht von »Wartung« wie bei einer Maschine: »Jeden Morgen etwas Positives sagen, jeden Morgen etwas Positives denken.« Jeffrey Gitomer schrieb neben The Sales Bible auch so schöne Titel wie Customer Satisfaction is Worthless und How to Sell Anything in Any Economy.
24 Peters 1982, S. 96.
25 Up in the Air (2009) von Regisseur Jason Reitman, basierend auf dem Roman Up in the Air (deutscher Buchtitel: Mr. Bingham sammelt Meilen ) von Walter Kirn.
26 Johnson 2000, S. 53.
27 Der Prediger Zig Ziglar verkündete auf einer Veranstaltung mit Tausenden Entlassenen von AT & T: »Ihr selbst seid schuld; macht nicht das System verantwortlich; macht nicht den Chef dafür verantwortlich – ihr müsst euch mehr anstrengen und beten.« Zitiert bei Ehrenreich 2010, S. 134, wo sie noch eine Fülle von Beispielen aus der Motivationsbranche und den evangelikalen Mega-Churches bringt.
28 Krugman 2008.
29 Reckwitz 2012.
30 Eva Illouz schildert, wie der Konsumkapitalismus eine intensive emotionale Kultur ausgebildet hat. Adorno hatte die »Kulturindustrie« noch ganz im Modus des traditionellen, kalten und berechnenden Industrialismus beschrieben. Die Romantik hat dem Marketing die besten Dienste geleistet. Umgekehrt werden Gefühle und Beziehungen zunehmend durch eine Ökonomisierung geprägt. (Illouz 2007)
31 Eberle und Grossekathöfer 2012.
32 Weber 2006, S. 126
33 Wie tief puritanisch die Askeseideale der »diätischen« Ernährung sind,
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