Vier Äpfel
geschrubbt, die in ihren Kilonetzen aussehen, als wären sie eben erst aus dem Meer gefischt und nicht aus dem Boden gegraben worden. Ich kann mich nicht entscheiden. Brauche ich überhaupt Kartoffeln? Ich kaufe heute keine. 3
5
Ich bin im Paradies. Ich sehe rote, gelbe und grüne Äpfel, blaue, grüne und weiße Trauben, Mangos, Feigen, Melonen und Orangen. Ich sehe Bananen und Biobananen, Zitronen und unbehandelte Zitronen, Biogurken und ganz gewöhnliche, wahrscheinlich pestizidbelastete Gurken, ich sehe kandierte und getrocknete Früchte, aufgeschnittene, auf Styroporträgern arrangierte und mit Klarsichtfolie überzogene Ananas, ich sehe Obstsalate in transparenten Plastikbechernund kühlgestellte, frischgepreßte Säfte, ich sehe Salate mit Käse oder Putenfleisch, denen kleine, manchmal leicht, manchmal weniger leicht aufzureißende Vinaigrette-Päckchen beigegeben sind, ich sehe Blätterteigpasteten, Fleischterrinen, Forellen, Hummer, Hammelkeulen, Wachteln, Wildschweine und Käseräder, ich bin im Schlaraffenland, alles ist da. So viel zu essen, und ich habe gar keinen Hunger, so viel zu trinken, und ich habe gar keinen Durst.
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Mein Einkaufswagen ist ein EL 240. Er ist siebenundzwanzig Kilogramm schwer, hundertzehn Zentimeter lang und sechzig Zentimeter breit, er hat vier selbstlenkende Rollen mit jeweils zwölfeinhalb Zentimetern Durchmesser und ein Fassungsvermögen von zweihundertachtunddreißig Litern. Könnte ich Milchtüten entsprechend stapeln, ließen sich in ihm zweihundertachtunddreißig davon unterbringen. 4 Ich schiebe den Wagen und schiebe mich hinterher; nicht zum Vergnügen, sondern zum Einkaufen bin ich hier, und für einen Moment bilde ich mir ein, mich daran erinnern zu können, wie es war, als ich im Kinderwagen lag und so geschoben wurde, wie ich jetzt diesen Einkaufswagen schiebe. Vielleicht aber ist es auch nur eine Ahnung vom Alter und ein Vorgeschmack auf den Rollator, auf den ichmich eines Tages gebeugt werde stützen müssen. Eigentlich bräuchte ich gar keinen Einkaufswagen. Die paar Sachen, die ich mitnehme, könnte ich auch in einem Korb zur Kasse tragen. Ich könnte auch einen der neueren Fahrkörbe mit Teleskopgriff benutzen, die sich wie Trolleyköfferchen ziehen lassen, aber ich nehme, auch wenn ich ihn nie fülle, ja kaum seinen Gitterboden bedecke, lieber einen Wagen. Einmal habe ich geträumt, mit meinem Einkaufswagen gegen einen anderen Einkaufswagen zu stoßen, in dem genau die gleichen Lebensmittel liegen wie in meinem. Die gleiche Sorte Butter, der gleiche Orangensaft, Mineralwasser des gleichen Abfüllers und noch ein paar andere identische Produkte mehr. In diesem Traum, ich habe ihn schon ein paarmal geträumt, wird dieser andere Einkaufswagen von einer selbstverständlich aufregend wunderschönen Frau geschoben, in die ich mich, ich kann gar nichts dagegen tun, sofort verliebe, und ihr geht es genauso, wir beide wissen sofort, wir sind füreinander bestimmt, aber als ob wir unser gemeinsames Schicksal noch abwenden könnten, weichen wir beide zur selben Seite aus, blockieren uns erst links, dann rechts, und denken beide für kurze Zeit, daß wir vielleicht vor einem Spiegel stehen – aber nein, wir sind zwei Individuen und bräuchten von nun an eigentlich nur noch einen Einkaufswagen. So ging der Traum, tatsächlich aber habe ich noch nie jemanden im Supermarkt kennengelernt. Ich habe Bekannte getroffen, ja vielleicht ist mir auch mal die Begleitung eines Bekannten oder der Freund einer Freundin vorgestellt worden, noch nie aber habe ich jemanden einfach so kennengelernt.
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Ich nehme den Gang, der parallel zu dem mit den Teigwaren verläuft, und betrachte ein schmales Marmeladenglas, an dessen Außenseite ein Konfitürenlöffel klebt. Ich überlege einen Augenblick, ob ich die Marmelade kaufen soll, immerhin bekäme ich ja einen Löffel dazu, lasse mich dann aber doch nicht verführen, sondern schiebe mich und meinen Wagen weiter bis zu den langen, offenen Tiefkühltruhen, über denen, wie überall hier, weißes Neonlicht leuchtet. Mit ihren gläsernen Seitenwänden sehen sie, das ist mir bisher nie aufgefallen, wie sehr in die Länge gezogene Schneewittchensärge aus. Es gibt Pizza Salami, Pizza Hawaii, Pizza Prosciutto, Pizza mit Spinat und Mozzarella und Pizza Hähnchenfleisch, daneben Pizza Vier Jahreszeiten, Steinofenpizza und Pizza im Doppel- oder Dreierpack. Die Kartonquadrate, ich zähle fünf verschiedene Hersteller und unübersichtlich viele
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