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Vier Frauen und ein Mord

Vier Frauen und ein Mord

Titel: Vier Frauen und ein Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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eines – er war nicht frech. Gar nicht frech. Und nach meiner Erfahrung sind Mörder das für gewöhnlich. Immer so verdammt selbstzufrieden. Denken immer, dass sie einen an der Nase herumführen können, selbst wenn sie schon auf der Anklagebank sitzen und wissen, dass es ihnen an den Kragen geht. Sie werden verstehen, was ich meine, Monsieur Poirot.«
    »Ich verstehe es sehr gut. Und dieser James Bentley – der war nicht so?«
    »Nein. Er war – nun, einfach in Todesangst. Von allem Anfang an in Todesangst. Und auf manche Leute musste das den Eindruck machen, dass er schuldig war. Aber auf mich nicht.«
    »Nein, da bin ich Ihrer Meinung. Wie ist er denn, dieser James Bentley?«
    »Dreiunddreißig, mittelgroß, fahle Haut, trägt eine Brille…«
    »Nein, ich meine nicht sein Äußeres. Was für ein Mensch ist er?«
    »Ach so…« Kommissar Spence dachte nach. »Ein unauffälliger Bursche. Nervös. Kann einem nicht gerade ins Gesicht sehen. Hat eine Art, einen schlau von der Seite anzuschauen. Wirkt gar nicht gut auf die Geschworenen. Manchmal duckt er sich, und manchmal wird er aufsässig.«
    Er machte eine Pause und sagte dann nachdenklich:
    »In Wirklichkeit ist der Bursche scheu. Ich hatte so einen Vetter. Wenn irgendwas unangenehm wird, dann erzählen diese Leute eine dumme Lüge, die nicht die geringste Aussicht hat, geglaubt zu werden.«
    »Scheint nicht sehr sympathisch zu sein, Ihr James Bentley.«
    »Ist er auch nicht. Aber deshalb will ich ihn doch nicht hängen sehen!«
    »Und Sie meinen, dass man ihn hängen wird?«
    »Ich wüsste nicht, warum er nicht gehängt werden sollte. Sein Verteidiger kann Berufung einlegen – aber das müsste mit recht fadenscheinigen Gründen geschehen, und ich glaube nicht, dass er damit Erfolg haben würde.«
    »Hatte er einen guten Anwalt?«
    »Den jungen Graybrook – als Offizialverteidiger unter Armenrecht. Ich meine, er war sehr gewissenhaft und hat sein Bestes getan.«
    »So hat der Mann also einen anständigen Prozess gehabt und ist von seinesgleichen schuldig gesprochen worden.«
    »Das stimmt. Die Geschworenen waren guter Durchschnitt. Sieben Männer, fünf Frauen. Alles anständige, vernünftige Leute. Der alte Stanisdale war der Richter. Absolut gerecht – keinerlei Vorurteile.«
    »So kann sich James Bentley nach den Gesetzen des Landes über nichts beklagen?«
    »Wenn er wegen etwas, was er nicht getan hat, aufgehängt wird, hat er schon einen Grund zur Klage.«
    »Eine sehr richtige Bemerkung.«
    »Und der Fall gegen ihn war mein Fall – ich habe das Beweismaterial gesammelt und damit die Grundlage für das Urteil geliefert. Und das gefällt mir nicht, Monsieur Poirot. Das gefällt mir überhaupt nicht.«
    Hercule Poirot betrachtete lange das erregte rote Gesicht von Kommissar Spence.
    »Eh bien«, sagte er. »Was schlagen Sie vor?«
    Spence sah sehr verlegen aus.
    »Ich glaube, Sie wissen ganz gut, was kommt. Der Fall Bentley ist abgeschlossen. Ich arbeite schon an einem anderen Fall – einer Unterschlagung. Muss heute Abend noch nach Schottland fahren. Ich bin kein freier Mann.«
    Spence nickte irgendwie verlegen.
    »Da haben Sie’s. Schreckliche Unverschämtheit, werden Sie sagen. Aber ich sehe keinen anderen Weg – keine andere Möglichkeit. Ich habe in diesem Fall alles getan, was ich tun konnte, habe jede Möglichkeit überprüft. Und ich habe nichts erreicht. Ich glaube, ich kann auch nichts erreichen. Aber wer weiß, vielleicht ist es bei Ihnen anders. Sie sehen die Dinge auf eine – Sie werden mir den Ausdruck verzeihen – auf eine komische Art an. Vielleicht ist das die Art, wie man sie in diesem Fall ansehen muss. Denn wenn James Bentley sie nicht getötet hat, dann hat sie jemand anders getötet. Sie hat sich ja nicht selbst den Schädel eingeschlagen. Vielleicht können Sie etwas finden, das mir entgangen ist. Aber wenn Sie sich nicht bemühen wollen – und warum sollten Sie…«
    Poirot unterbrach ihn.
    »Ach, es gibt schon ein paar Gründe. Ich habe Zeit – zu viel Zeit. Und Sie haben mein Interesse geweckt – ja, das haben Sie. Es ist eine Herausforderung meiner kleinen grauen Zellen. Und dann denke ich auch an Sie. Ich sehe Sie, wie Sie in sechs Monaten in Ihrem Garten sind und vielleicht gerade Ihre Rosen gießen – aber Sie sind nicht so glücklich, wie Sie es sein sollten, weil Sie tief in Ihrem Innern eine bestimmte Erinnerung quält. Und das möchte ich nicht. Und schließlich«, Poirot saß ganz aufrecht und nickte

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