Vier (German Edition)
es immer vermieden, offenes Feuer zu machen, hatte sogar Kaffee und Kakao auskühlen lassen, bevor er sie trank.
Er bemerkte, wie sie sich ein weiteres Mal an seinen Beinen zu schaffen machten. Wieder floß etwas über die ohnehin schon verbrannte Haut. Wieder würde es mit einem Zischen zu brennen beginnen und ihn ein weiteres Mal verkohlen.
Innerlich hatte er sich mit dem Gedanken abgefunden, daß sie ihn bis zur Unkenntlichkeit verbrennen würden. Er war nie ein Fatalist gewesen, aber immer ein Realist. Es gab keinen Ausweg außer dem Tod. Die metallenen Fesseln an seinen Armen, die er schon seit einer Weile nicht mehr mit seiner verbrannten Haut spüren konnte, würden ihn bis zuletzt halten. Er hatte es versucht, sie zu lösen und war gescheitert. Das war kein Ausweg. Nein. Das war kein Ausweg.
Er spürt wie das Feuer und die Hitze einen weiteren Teil seines Körpers zerzehren und fragt sich, wie lange es dauern wird, bis er endlich kollabiert. Doch er kollabiert nicht.
Er war nie ein großer Kämpfer, hat nie intensiv irgend einen Sport betrieben oder sich anderweitig fit gehalten und fragt sich jetzt, warum er so lange durchhält. Ein Herzinfarkt wäre jetzt schön. Oder etwas in der Art. Irgend etwas, das ihn von diesem ziehenden, metallenen, heißen Schmerz befreit, der große Stücke aus seinem Körper zu beißen scheint.
Er hat das Gefühl, euphorisch zu sein, während jemand ihm mit absoluter Gleichgültigkeit aus dem gleißenden Licht heraus ein gemustertes, glühendes Etwas vor die Augen hält und dann auf seiner Brust ablegt. Er spürt den Schmerz kaum noch. Die Enden jener Nerven, die in seiner Brust auslaufen, sind ohnehin schon verbrannt und verkohlt.
Er möchte lachen bei dem Gedanken, wie er am Ende aussehen wird. Ein schwarzes Michelon-Männchen; bis zur Unkenntlichkeit verkokelt. Vielleicht raucht er auch noch ein bißchen, wenn man ihn findet.
Mein Gott! Wie lachhaft. Wie absurd und lachhaft.
Für einen Herzschlag schwebt etwas Spitzes über ihm. Es glüht in einem satten Rot, das sogar das strahlende Weiß der Folterkammer überstrahlt.
Die Spitze hängt über seinem Gesicht und rührt sich nicht. Unentschlossen sieht er sie an.
Ist es das? Ist das das Ende?
Beinahe lächelnd sieht er ihm entgegen, als die Spitze sich langsam auf sein Gesicht zu bewegt. Er sieht, wie sie auf sein eines Auge herabsinkt und wundert sich darüber, daß er keinen Reflex vor Flucht mehr zeigt. Es ist ihm einfach egal. Völlig egal.
Die Spitze senkt und senkt sich und die Hitze tanzt über sein zerschundenes Gesicht. Er kann sie an seinen abgefackelten Augenbrauen spüren.
Sie ist noch ein, zwei Zentimeter von seinem Auge entfernt, als er sich zur Seite wirft – und fällt; da ist keine Halterung, keine Fessel, keine Stütze mehr, die ihn hält. Er fällt und prallt auf den harten, weißen Boden.
Und ist frei .
Seine Augen gleiten über einige Paar weißer Militärstiefel, die um einen Tisch versammelt stehen und auf Unmengen von Asche und verbrannter Haut, die sich am Fuß des Tisches kräuseln.
Ohne Aufzusehen wirft er sich hoch und läuft in die Richtung, die er für den Ausgang hält. Ein sattes, rötliches Leuchten empfängt ihn, als er aus dem Weiß des Raumes in das Rot eines langen Ganges taumelt.
Er spürt die Hitze erst nach einigen Metern. Sie ist hart und bleiern und legt sich wie ein Gewicht auf seine Schultern. Sie geht von den Wänden des Ganges aus und läßt ihn unwillkürlich zurückschrecken. Doch zurück – zurück kann er nicht.
Er sucht die Mitte des Ganges, folgert, daß dort die Hitze aus den rötlich glühenden Wänden am niedrigsten ist, bemerkt seinen Irrtum nach wenigen Metern, als die letzten Härchen auf seinen Armen sich unter der Hitze krümmen und hält sich dann im dampfenden, noch immer gnadenlos verbrennenden Schatten der linken Wand, die aber deutlich kälter ist als die Rechte, deren Farbe sich beinahe bis ins Weißliche steigert. Er taumelt vorwärts, versucht die Augen nur dann zu öffnen, wenn es nötig ist und zwingt sich, die Hitze zu ignorieren, die ihm die Haut verbrennt.
Schweigend geht er Schritt um Schritt, Meter um Meter, um durch diesen letzten Abschnitt der Hölle an ein Ende zu kommen.
Er möchte den feurigen Schmerz hinausschreien, der ihn wie eine Aura umfängt, aber er kann nicht. Er weiß, daß er die Lippen nicht öffnen darf. Er weiß, daß er für die nächsten paar Meter die Augen nicht öffnen darf. Tut er es, dann verbrennen
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