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Vier minus drei

Titel: Vier minus drei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Pachl-Eberhart
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und im Supermarkt eine Frau mit fünf Kindern angestarrt habe, bis mich meine Mutter zum Ausgang zog. Aber woher weiß Heli das nur?

    »Ja, das ist gut. Fünf Kinder.«
    Nun stellt Heli seine Preisfrage.
    »Wann fangen wir denn an?«
    Sofort , möchte ich schreien.
    Aber ich kenne ihn ja noch kaum, diesen Mann. Ich muss mich schnell von seinen blauen Augen losreißen, sonst bekommen wir noch Fünflinge, und zwar in der nächsten Minute.
    Der Himmel vor dem Fenster sieht auch nicht anders aus als Helis Augen. Ich kneife trotzdem. Sicher ist sicher.
    »Ähm, jetzt noch nicht. Aber bald. Sagen wir … in drei Jahren?«
    »Fein, in drei Jahren. Schlag ein.«
    Abgemacht.
     
    Am nächsten Morgen bleiben wir länger im Bett und machen, was Frischverliebte eben so machen. Mit einem Mal fühle ich, wie in meinem Bauch etwas »explodiert« – ein warmes, helles Licht breitet sich dort aus, nach allen Richtungen hin, wie eine Supernova. Was ist passiert?
    »Du bist schwanger. Du leuchtest wie ein Stern!«
    Heli und seine Vorahnungen! Mein Mund klappt weit auf und bringt doch nur ein leises »Ja« hervor. Sekunden später tanzen wir jubelnd durchs Zimmer. Wir hüpfen, bis wir nicht mehr können, dann fallen wir wieder aufs Bett.
    »Du musst dich jetzt schonen«, flüstert er lächelnd.
    Er, Heli, der Vater des Kindes in meinem Bauch.

    Er sollte Paul heißen. Das Armband mit diesem Namen findet sich noch im Babyalbum, sorgfältig eingeklebt und mit Datum versehen.
    13.6.2001
    In der ersten Nacht nach seiner Geburt konnte ich die Augen nicht von dem winzigen Wesen lassen, das gerade erst geschlüpft und bereits so einmalig, so unverwechselbar war. Bei meiner Betrachtung schoss mir ein Gedanke durch den Kopf:
    Das ist kein Paul. Das ist ein Thimo!
    Dieser Name hatte auf keiner unserer langen Listen gestanden. Aufgeregt weckte ich Heli und weihte ihn ein.
    »Thimo.«
    Wie schön klang das aus Helis Mund. Wir waren uns einig. Der Name war richtig. Es störte uns nicht, dass sich Thimo in dieser Schreibweise in keinem unserer Namensbücher fand.
    Regeln interessierten uns beide nur, solange sie sich mit unserer Intuition vereinbaren ließen. Ein neues Wesen war durch uns in die Welt gekommen, warum dann nicht auch gleich ein neuer Name?
    Das stattliche Th war uns jedenfalls wichtig. Vielleicht würde unser Sohn ja später einmal Rechtsanwalt werden. Oder Arzt. Oder … egal.
     
    Ein Gespräch mit Thimo. Er war fünf Jahre alt.
    Damals . Vor Kurzem. Vor einer Ewigkeit.
    Es war eines jener Gespräche, die mit einem leisen, zögernden »Duhu, Mamaaa …« begannen und für die man sich Zeit nehmen musste, weil sie wichtig waren.

    »Duhu, Mamaaa, ich muss dir etwas sagen. Weißt du, ich finde meinen Namen ja schon schön. Aber, weißt du, irgendwie ist Thimo nur ein Name für Kinder. Wenn ich groß bin, würde ich gern anders heißen, da hätte ich gern einen Erwachsenennamen.«
    Aha.
    Was denn ein Erwachsenenname sei, wollte ich wissen.
    »Hmmm.«
    Thimo nahm sich etwas Zeit und ließ sich seine Worte dann wie eine wohlschmeckende Speise auf der Zunge zergehen.
    » Helmut , ja, das wäre schön!«
     
    Momentaufnahmen. Gesprächsfetzen. Wie Miniaturen erscheinen sie vor meinem inneren Auge, wenn ich an die sieben Jahre mit meinem Sohn denke. Die Erinnerung gleicht einem Kaleidoskop, das jedes Mal, wenn man hineinsieht, ein neues Bild serviert. In seinem Rohr findet sich eine Unzahl farbiger Glassteine. Bei jedem Schütteln werden andere Bilder, andere Kombinationen sichtbar. Niemals kann man alle Steine gleichzeitig betrachten. Man muss sich zufriedengeben mit dem Teil, den man gerade sieht.
    Ebenso ist es mit der Erinnerung. Aus ihrem unerschöpflichen Reichtum gibt sie stets nur einige wenige Bilder preis.
    Immer wieder fühle ich mich von dem Wunsch getrieben, mich an alles, alles zu erinnern und nur ja kein Detail, keinen geteilten Augenblick, kein liebes Wort meiner Kinder zu vergessen.

    Mein Wunsch hat mich mitunter dazu gebracht, fieberhaft Stichworte niederzuschreiben, so lange, bis ich nicht mehr konnte und nur noch schwarze Leere in meinem Kopf verspürte. Er trieb mich zum Weinen, zum Schreien, zur Verzweiflung.
    An meiner Seite stand drohend die Angst.
    Meine Erinnerungen sind alles, was ich habe. Was, wenn ich sie verliere?
    Die Angst spricht. Die Gedanken stehen still. Drehen sich um sich selbst. Sie ducken sich, haben keine Zeit zum Spielen. Sie werfen das Kaleidoskop in die Ecke. Die Angst malt ihre eigenen Bilder.

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