Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)
drauf, wenn wir sie nicht brauchen.
Später ging es zum Waffenempfang. Unsere Vorgänger vom alten Golf Zug mussten in der letzten Zeit jede Motivation verloren haben. Das merkte ich daran, wie sie von ihrem baldigen Rückflug sprachen und sich träge durch die Gänge schleppten. Auch mit der Ausrüstung waren sie nicht eben pfleglich umgegangen. Die für unseren Zug bestimmten Waffen waren kreuz und quer in einem der Container gestapelt worden. Beim Öffnen der Tür erschrak ich. Es sah aus, als hätte ein Kran den Container angehoben und einmal ordentlich durchgeschüttelt. Jeder von uns, der den Container mit seinen Waffen verließ, schüttelte beim Herauskommen den Kopf. Erst hatten wir Verständnis. Dachten an das schwere Gefecht in Isa Khel am Karfreitag, bei dem diese Männer drei Kameraden verloren hatten. Ihre Motivation musste auf dem Tiefpunkt sein. Aber sie hatten auch eine Verantwortung uns gegenüber, die mit dem Material jetzt arbeiten mussten. Und was wir vorfanden, glich eher einem Scherbenhaufen.
Zwei Kameraden vom alten Golf Zug schlurften an uns vorbei. Sie sahen müde und abgekämpft aus, hatten lange, zottelige Haare und unregelmäßig wuchernde Bärte. Würde es uns genauso ergehen? Wir wussten nicht, wie lange genau wir bleiben würden. Unsere Vorgänger waren vier Monate hier, für uns waren um die sechs Monate geplant. Einer blieb stehen und sagte mit einer Kopfdrehung in Richtung Waffen knapp: Viel Spaß damit.
Als ich meine Waffen zurück zum Zelt geschleppt und alles abgeladen hatte, wurden wir zum Empfang der Zusatzausrüstung gerufen. Wieder standen wir in einer Schlange, diesmal vor einem anderen Container.
Endlich hab ich mein MG4, sagte Jonny vergnügt. Mit so einem leichten Maschinengewehr lässt sich gut arbeiten, was glaubt ihr, wie viele Ideen ich schon habe, es umzubauen. Das wird ein super Ding.
Bis dich jemand ankackt, weil du gar nichts selber umbauen darfst, brummte TJ von hinten.
Ach, was muss, das muss, warf Hardy ein.
Wir müssen gut arbeiten können, das ist das Wichtigste, sagte ich kurz.
Richtig, da soll mich mal einer für anmachen, bemerkte Jonny.
Als wir später auch noch Munition erhielten, wurde ich etwas misstrauisch.
Was haben die vor?, fragte Hardy, als wir auf unseren Betten saßen.
Na das, wofür wir hier sind, Terroristen jagen, rief Mica.
Wir lachten.
Pass du nur auf, dass die dich nicht jagen, brummte TJ.
Wir lachten noch lauter.
Ich zeig dir gleich, wie gut ich jagen kann, warf Mica dazwischen.
Ohne deine Waffenanlage könntest du doch nicht mal eine Kuh treffen, wenn sie zwei Meter vor dir steht, grölte Hardy. Kurz darauf hatte er eine Boxershorts am Kopf.
Na warte, rief Hardy und zog seine Socken aus. Das war Hardys Geheimwaffe. Jedem von uns war völlig klar, dass Hardy die am übelsten stinkenden Füße in der gesamten Bundeswehr haben musste. Wenn er schwitzte, war es kaum auszuhalten. Als er ausholte, stürzten wir alle hinter unsere Feldbetten.
Am nächsten Morgen kam Muli nach dem Frühstück zu mir. Sammel die Männer zusammen. Ich will, dass alle in einer halben Stunde bei euch im Zelt sind.
Check, sagte ich schnell und beeilte mich.
Ich bog falsch ab und verlief mich bei dem Versuch, alle im Feldlager zu finden.
Als ich an einem Außenthermometer vorbeikam, das im Schatten an einer Wand hing, zeigte es 47 Grad. Ich schaute zweimal hin, bis ich glaubte, den Wert richtig abgelesen zu haben.
Russos Trupp fand ich an Nossis Fahrzeug, auf dem sie ebenfalls mitfahren sollten. Russo war uns mit seinen beiden Soldaten Butch und Dolli zugeteilt worden, um unsere Gruppe zu verstärken. Sie waren die Bedienungsmannschaft einer Granatmaschinenwaffe. Das war neben der Panzerfaust die schwerste Waffe, die wir als Infanteristen zur Verfügung hatten. Ein 90-
Kilo-Ungetüm, das nur auf einem Dreibein montiert abgefeuert werden konnte. Außerdem waren einige Fahrzeuge damit ausgerüstet. Man kann mit dieser Gramawa Granaten verschießen, die einen tödlichen Splitterradius von einigen Metern haben. Sozusagen ein Maschinengewehr für Handgranaten mit hoher Durchschlagskraft. Die Handhabung ist etwas kniffelig und erfordert viel Kraft. Deshalb war jeder froh, wenn er die Gramawa nicht bedienen musste. Trotzdem wollte sie jeder wegen ihrer großen Feuerkraft dabei haben.
Russo war der Truppführer, Dolli und Butch waren die Experten für diese Waffe. Alle drei waren osteuropäischer Abstammung und ein eingespieltes Team. Drei riesig
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