Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)
lächelte.
Wir werden also auf eine Fußpatrouille gehen, zusammen mit dem Chef und einigen von unseren Vorgängern. Es geht nach Isa Khel.
Nach Isa Khel? Es wurde schlagartig still im Raum. Isa Khel. Dieser Name hatte sich in unsere Köpfe eingebrannt. Schließlich war es das Dorf, in dem am Karfreitag unsere Vorgänger in einen Hinterhalt geraten waren und so schreckliche Verluste erlitten hatten. Trotzdem sah keiner entsetzt aus, eher überrascht. Wir wussten nicht so richtig, was wir davon halten sollten.
Mit nur einem Zug?, sprach Mica das aus, was alle dachten.
Ja, aber wir gehen nicht über das Polizeihauptquartier in Chakar …, Chanar …, ich kann das einfach nicht aussprechen.
Chahar Darrah, sagte ich laut. Weil Muli bei Fremdsprachen oft Probleme mit der Artikulation hatte, half ich ihm.
Genau, dieser Distrikt, der in Zukunft unser Kerngebiet sein wird, setzte er fort. Wir gehen durch die Stadt, folgen einer Nebenstraße und nähern uns Isa Khel von der anderen Seite des Flusses aus, der das Dorf von der Stadt trennt.
Der Kundus-Fluss?, fragte Wizo.
Ja, genau, sagte Muli. Er fuhr fort: Davor wird, glaub ich, noch eine große Freifläche sein. Wir werden wahrscheinlich nicht weiter gehen als bis zum Rand der Freifläche, weil wir dahinter keine Deckung haben. Aber die genauen Befehle kommen noch. Ich möchte, dass die Ausrüstung bis heute Abend einsatzbereit ist. Wenn es erst übermorgen losgeht, habt ihr morgen noch Zeit. Aber macht alles so fertig, als ob wir morgen los müssten. Das Fahrzeug als Erstes.
Muli wandte sich an TJ. Du und Mica kümmert euch darum, Hardy und Joe unterstützen. Genug Wasser für drei Tage, Verpflegung kommt heute Abend noch, haltet dafür Platz frei. Die Waffenanlage muss einsatzbereit sein. Und TJ, du fährst nachher noch in die Instandsetzung und bläst den Luftfilter aus und lässt ’nen Techniker noch mal drübergucken. Russo, du kümmerst dich um das Fahrzeug von Nossi und dir. Ich will, dass alles heute Abend fertig ist. Hat noch jemand Fragen?
Es dauerte bis zum nächsten Tag, ehe bekannt wurde, dass wir am darauffolgenden Tag los mussten. Die Befehlsausgabe hatte unser Zugführer für den Nachmittag in der Festung angesetzt. So hieß der Gemeinschaftsraum der Kompanie, der an unseren zukünftigen Wohnbereich mit seinen Containern angegliedert war. Der ganze Zug, bestehend aus den beiden Gruppen Golf eins und Golf zwei, dem Trupp des Zugführers, der drei Soldaten zur Unterstützung hatte, sowie ein oder zwei zusätzliche Männer waren anwesend. Unser Zugführer richtete sich an die Gruppenführer.
Brandy, vollzählig?
Vollzählig, sagte dieser knapp.
Brandy war der Führer der zweiten Gruppe, Golf zwei. Er war Rheinländer, was ihm anzuhören war. Mit seinem runden Gesicht wirkte er gemütlich, doch seine scharfen Augen verrieten, dass deutlich mehr in ihm steckte. Er hatte die meisten von uns schon in der Grundausbildung kennengelernt. Fast immer strahlte er eine ungeheure Gelassenheit aus. Nur wenn ihm etwas mächtig gegen den Strich ging, konnte er brodeln wie ein Vulkan. Dann fingen seine Augen an zu zittern, und er leckte sich über die Lippen. Er forderte viel von uns, verlangte immer Perfektion und Fleiß. Ich habe in meiner ganzen Dienstzeit keinen Feldwebel mehr kennengelernt, der eine so hohe Fachkompetenz in den verschiedensten Bereichen hatte wie Brandy. Und der so verlässlich war. Auch nach der Dienstzeit nahm er sich viel Zeit zum Lernen, was er auch von uns verlangte.
Der erfahrene Muli hatte mich zwar in die neue Einheit geholt, war aber in der ersten Zeit lange auf Lehrgängen gewesen. Brandy hatte mich aufgebaut und in den Zug integriert. Wegen des großen Respekts, den ich vor seiner Arbeit und seinem Fachwissen als Feldwebel hatte und weil ich seinen Führungsstil schätzte, hatte ich zunächst gehofft, in seine Gruppe eingeteilt zu werden. Er geriet oft mit Muli in Konfrontation, der sehr viel extrovertierter agierte und an dessen Art ich mich erst gewöhnen musste. Aber schließlich lernte ich, bei Mulis Aussagen zwischen den Zeilen zu lesen und zu erkennen, dass er im Hintergrund viel für die Gruppe tat und eine große Übersicht über die Gesamtzusammenhänge bewies. Wenn man die beiden gegensätzlichen Charaktere von Brandy und Muli auf kluge Art zusammengeführt hätte, dann hätte sich der eine mit dem anderen perfekt ergänzt. Dies wäre die Aufgabe des Zugführers gewesen.
Unser Zugführer war ein junger Offizier. Wir
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