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Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)

Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)

Titel: Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Clair
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dass er an mir vorbeisehen konnte. Es war seine Schicht. Ich wäre jetzt nicht dran, hätte mich noch ausruhen können. Aber Hardy hatte gut beobachtet. Als er mir die Stelle zeigte, sagte er mir, dass es etwa 480 Meter seien. Dann legte er sich schräg hinter mich und wir beobachteten. So, wie wir es gelernt haben. Nach einer Stunde zog er sich zurück, auch er brauchte Ruhe. Er würde ohnehin nicht mehr viel Zeit haben, bevor es losging. Das wusste er. Ich blieb oben liegen und wartete. Würde es noch mal so weit kommen? Würde die Zeit reichen?
    Als er mich weckte, war die Sonne gerade über dem Horizont erschienen, und ich lag in meinem Schlafsack hinter dem Wall in einer Mulde auf dem Boden. Ich hatte mich von der Sonne weggedreht, um ihre Strahlen nicht ins Gesicht zu bekommen. Schlaf war wichtig in den letzten Tagen. Jede Minute war bedeutend. Sie half, bei Kräften zu bleiben, nicht aufzugeben. Aufgeben wollte ich niemals. Aber ich wollte nicht mehr das ertragen, was in den letzten Tagen um uns und mit uns geschah. Als sie es wieder und wieder versuchten. Als es so aussah, als würden ihre Bemühungen zum Erfolg führen. Ich hatte mich verkrochen. Erst mit dem Kopf, dann mit dem Körper. Erst hatte ich versucht, an etwas anderes zu denken. Ich hatte versucht, mir vorzustellen, wie schön doch alles sein könnte. Wenn ich nicht hier wäre, sondern auf einer Wiese liegen würde, über mir der blaue Himmel. Ein paar Wolken vielleicht und Vögel.
    Vögel sind wichtig. Ich liebe Vögel über alles. Früher habe ich oft in einer Falknerei gearbeitet. Nebenbei, so oft es eben ging. Meistens an den Wochenenden. Ich habe den Vögeln in die Augen sehen dürfen und Weisheit erkannt, Güte vielleicht. Ich gab ihnen Futter, bin mit ihnen auf dem Handschuh umhergelaufen, habe das Lächeln in den Gesichtern der Kinder gesehen, wenn sie den Falken streicheln oder selbst einmal festhalten konnten. Das Glücksgefühl in ihren Augen, an der Erhabenheit dieses majestätischen Tieres teilhaben zu dürfen. An seiner magischen Kraft. Als ob seine Flügel auf dich selbst übergingen, er sie dir gibt, damit auch du fliegen kannst. Ein Vogel verleiht dir Freiheit. Oft wünsche ich mir, auch meine Flügel ausbreiten zu können, einfach loszufliegen. Mich mit kraftvollen Schlägen vom Boden zu erheben und einfach in den Himmel zu schwingen. Ich würde über allen Dingen gleiten und langsam, ganz weit oben meine Bahnen ziehen. Ich würde frei sein.
    Stattdessen bin ich hier. Kann nicht weg. Kann nur hilflos mit ansehen, wie die Dinge um mich herum passieren, dann versuchen zu reagieren. Aber das ist das Schlimmste. Das hat es zu oft gegeben. Reagieren. Nicht selbst bestimmen zu können, was wann geschieht, ist nicht deprimierend. Es ist zerstörend. Ich soll zerstört werden. Vielleicht habe ich mich wegen dieses Gefühls der Ohnmacht verkrochen. Habe mich in ein Loch gekauert. Habe mich so klein gemacht, wie es ging, und gewartet. Gewartet, dass es vorübergeht. Gewartet, dass es irgendwie schon werden würde. Es ist der falsche Weg. Es ändert nichts. Es macht alles schlimmer.
    Vielleicht habe ich einfach nur Angst. Angst, nicht das Richtige zu tun. Angst, alles könnte umsonst sein. Angst, mich selbst zu verlieren. Angst, alles zu verlieren. Aber was ist alles?

EINE SCHRECKLICHE NACHRICHT
    Es war ein warmer Sommertag in Deutschland und einige Monate früher. Der Reisebus fuhr gemächlich eine Allee entlang, deren große Bäume ihren Schatten auf die Straße warfen. Ich konnte die Felder dahinter sehen. Saftige, grüne Weiden wechselten sich mit dunkelgelben Kornfeldern ab. Dazwischen wiegte der Wind langsam den jungen Mais hin und her. Irgendwo am Rand eines Dorfes spielten Kinder auf einem großen Erdhaufen, der vielleicht zu einer Baustelle gehörte. Die Sonne kitzelte mich. Ich dachte daran, wie angenehm es jetzt wäre, an einem Baggersee auf dem Boden zu liegen. Unter mir den feinen Sand zu spüren, den Geruch von frischem Gras und Wasser in der Nase und dabei die Wolken zu beobachten, wie sie langsam am Himmel entlangziehen.
    Joe, gib mir mal ’nen Kugelschreiber.
    Ich wurde von Hardy aus meinen Gedanken gerissen. Joe war mein Spitzname in der Schulzeit. Und weil wir uns in Afghanistan nicht wie in der Bundeswehr sonst üblich beim Nachnamen nennen wollten, fand er neue Verwendung.
    Weißt du, wo wir gerade sind?, wollte Hardy wissen.
    Ich schaute nach draußen. Der Bus bog auf den Autobahnzubringer ein. Wir würden bald am

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