Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)
zur Fahrbahn, die sich nach wenigen Metern in einigen dichten Büschen verlief. Als ich von oben nichts erkennen konnte, begann ich die Böschung herunterzurutschen und spürte den bröckeligen Lehmboden unter meinen Füßen in kleinen Stücken wegbrechen. Ich kam auf halber Strecke nach unten sicher zum Stehen und schaltete das Weißlicht ein.
Der Culvert bestand aus einem Betonrohr. Das Rohr hatte einen Durchmesser von etwa einem Meter, man hätte also bequem reinkriechen und etwas hineinlegen können. Ein wenig Müll lag herum. Eine Plastiktüte, ein paar Dosen, noch irgendetwas aus Plastik, das wie ein kleiner Kanister aussah. Scheiße, dachte ich. Ein Kanister konnte alles Mögliche sein. Auch eine Bombe. Wie soll ich in dem Müll etwas sehen? Auch der Einblick ins Rohr war beschränkt, etwa zwanzig Zentimeter weit konnte ich hineinsehen. Also musste ich ganz nach unten. Ich atmete etwas schwerer und arbeitete mich langsam nach unten vor, um nicht auszurutschen. Auch Erschütterungen konnten Sprengsätze auslösen, also durfte ich nicht abrutschen. Wieder kullerten einige lose Brocken nach unten und blieben kurz vor dem Müllhaufen liegen. Den einen Fuß am Hang verankert, den anderen auf dem ebenen Boden der Wasserrinne, stand ich mit gespreizten Beinen da und bereitete mich darauf vor, jederzeit wieder nach oben zu hechten.
Das Loch der Betonröhre war nun fast genau vor mir. Als ich mich mit dem Gesicht dem Haufen vor mir näherte, hörte ich ein leises Geräusch. Es klang wie ein Kratzen. So, als würde etwas auf Metall reiben. Mein Herz fing an, schneller zu schlagen. Ich umklammerte die Waffe mit meiner Hand, auch wenn mir mein Gewehr in dieser Situation nicht geholfen hätte. Ich hielt die Waffe in Richtung Müllhaufen und schaltete wieder das Licht ein. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis der Lichtkegel aufgebaut war. Ich spürte meinen Herzschlag durch den Hals pulsieren und fühlte, wie sich die Muskeln in meinen Beinen verhärteten. Trocken schluckte ich herunter.
Plötzlich flog der kleine Plastikkanister zur Seite. Ich zuckte zusammen und geriet aus dem Gleichgewicht, taumelte und stürzte. Im Fallen sah ich plötzlich den Himmel über mir. Ich fiel krachend und schmerzhaft zu Boden und war eine Sekunde lang benommen.
Was ich schließlich im Schein der Halogenlampe sah, war nicht schön, aber beruhigend: eine Ratte, die sich aus dem Müllhaufen emporgewühlt hatte. Keck schaute sie mich an und verschwand dann in der Dunkelheit. Ich rappelte mich auf. Von der anderen Seite leuchtete Muli durch die Röhre.
Alles in Ordnung, fragte er leise.
Jaja, ich bin nur hingefallen, antwortete ich und schob den Müll mit dem Stiefel vorsichtig auseinander.
Ich war mir jetzt allerdings sicher, dass ich hier nichts finden würde. Ein kurzer Blick in die Röhre verschaffte mir Gewissheit.
Es ging weiter. Hinter der Überführung wartete die kleine hölzerne Verkaufsbude und dahinter eine Autowerkstatt, die aus einem alten Schuppen und zwei Rampen aus Zement oder Lehm bestand. Wenn wir hier tagsüber vorbeikamen, befand sich fast immer ein Auto auf der Rampe, und in dem Schuppen konnte man allerlei altes Werkzeug erkennen. Alte Männer saßen davor. Jetzt war alles grau und verschlossen. Wir waren schnell an der Verkaufsbude vorbei, sie war ohnehin nur ein besserer Verschlag, schnell zu überblicken.
Noch fünfzehn Meter bis zum Ziel, funkte Muli.
Ich konnte den Ortsausgang bereits erkennen. Dort würden wir nach der gemeldeten Bombe suchen. Der Jammer war bereits auf der Höhe der Werkstatt stehen geblieben, nur die Kampfmittelbeseitiger waren noch hinter uns.
Vorne Halt, brummte Muli ins Funkgerät.
Ich klappte das Nachtsichtgerät herunter und versuchte, es schärfer zu stellen. Nach wenigen Metern verschwamm alles in einem grünschwarzen Pixelbrei.
Hoffnungslos, dachte ich und klappte es mit der rechten Hand wieder nach oben, um in die Dunkelheit zu lauschen. Nichts.
Ich sah Wizo an, der den Kopf leicht schüttelte, weil er nichts gesehen oder gehört hatte.
In der Ferne konnte man schon den Lichtschein des nächsten Polizei-Checkpoints sehen. Dieser lag etwa 600 Meter entfernt an der großen Brücke, die den Kundus-Fluss überspannte und die Stadt mit diesem Distrikt verband. An einem leichten Knick der Straße, vielleicht 150 Meter vom Dorfrand entfernt, wusste ich eine Baumreihe, die aber nur schemenhaft zu erkennen war.
Dort könnten sich die vermuteten feindlichen Stellungen befinden,
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