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Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)

Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)

Titel: Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Clair
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entfernt auf der anderen Straßenseite.
    Muli und Mica, dachte ich, Gott sei Dank.
    Für den Bruchteil einer Sekunde war ich erleichtert, dann brüllte ich hinüber zu Muli und Mica.
    Keine Antwort.
    Wieder brüllte ich.
    Luftholen. Sie schienen mich in dem Lärm nicht zu hören. Egal, jeder weiß, was zu tun ist, wurde mir bewusst. Ich kniff Wizo in den Oberschenkel, um ihn nicht beim Schießen zu behindern. Er wusste sofort Bescheid und rannte mit mir ein paar Meter zurück.
    Wir waren allein auf der Straße, die Kampfmittelbeseitiger mussten schon ausgewichen sein. Der Jammer stand einsam etwa dreißig Meter entfernt auf der Straße. Diese dreißig Meter mussten wir überbrücken, irgendwie hinter uns bringen, um wenigstens aus dem schlimmsten feindlichen Feuer herauszukommen. Es war die Killbox.
    Wir liefen noch ein paar Schritte, dann drehten wir uns um und warfen uns auf den Boden. Wizo fing sofort an zu schießen. Die Nebelwand hatte sich etwas gelichtet, und ich konnte von jenseits des Feldes vor dem Dorfrand Mündungsfeuer erkennen. Eins, dann zwei. Jetzt waren es vier verschiedene Stellen, von denen die Mündungsblitze kamen. Eine rot-gelbe, tödliche Glut spritzte aus ihnen hervor und ich wusste, dass sie uns galt.
    Ich visierte durch die Optik den blitzenden Punkt an, der am weitesten rechts lag. Als ich den Abzug mit dem Zeigefinger betätigte, fühlte ich den Druck, mit dem sich mein Gewehr in meine Schulter presste. Wieder und wieder drückte ich ab. Mit einem »Kling« flogen die Hülsen nach rechts weg, Ich schoss weiter. Ich wusste nicht, ob ich getroffen hatte, das war auf die Entfernung in der Dunkelheit unmöglich zu erkennen. Aber ich wehrte mich. Wenigstens antwortete ich mit derselben todbringenden Botschaft, die sie auch zu uns sandten.
    Ich fühlte, wie das Gewehr leichter wurde, je öfter ich abdrückte. Das Magazin leerte sich. Ich hielt kurz inne und sah nach links. Mica und Muli waren aufgestanden und rannten in unsere Richtung. Sie blieben auf der linken Straßenseite und warfen sich ein paar Meter hinter uns auf den Boden. Als sie anfingen zu schießen, holte ich einen weiteren Nebelkörper aus einer Tasche meiner Weste und warf ihn so weit ich konnte. Während sich die Nebelwand mit einem Zischen aufbaute, schoss ich weiter, bis ich nur noch ein Klicken hörte. Dann rannte ich hinter Wizo her und riss noch im Lauf das leergeschossene Magazin aus der Waffe. Ich überlegte nicht lange und warf es auf den Boden, zerrte ein neues Magazin aus meiner Weste und steckte es in mein Gewehr. Ich rannte ein paar Schritte weiter und hielt auf halber Strecke vor dem Jammer an. So genau konnte ich das nicht erkennen, weil es immer noch stockdunkel war.
    Plötzlich der grelle Lichtblitz einer Panzerabwehrrakete aus einem der Häuser etwa zehn Meter vor mir, gleichzeitig ein ohrenbetäubender Knall. Verdammt, das Ding flog in meine Richtung. Ich warf mich hin.
    Scheiße, wo ist Wizo?
    Ich brüllte nach ihm.
    Keine Antwort.
    Ich versuchte, Muli und Mica zu erkennen, aber weder sah ich sie noch hörte ich, dass sie schossen.
    Muli, Mica!, brüllte ich aus Leibeskräften.
    Als keine Antwort kam, hob ich wieder den Kopf und stellte fest, dass auch von oberhalb der Mauer Mündungsfeuer kam.
    Kontakt links!, brüllte Muli aus dem Funkgerät. Sie sind auf den Mauern! Vielleicht zehn Meter entfernt!
    Schlagartig wurde mir bewusst, dass wir in der Falle saßen. Sie hatten uns erst jetzt in die eigentliche Killbox hineingedrängt.
    Ich schoss wieder und wieder, bis das Magazin leer war. Beim Aufladen bemerkte ich plötzlich das Funkgerät, aus dem Stimmen kamen. Mir war überhaupt nicht bewusst, dass ich immer noch mutterseelenallein auf der Straße war und auf mich geschossen wurde. Es knallte wieder, zischte an meinem Ohr, ich verstand kein Wort. Ich sah wieder hoch, die Schüsse schienen von überall zu kommen. Wieder zischte es. Schließlich konnte ich keine Einzelgeräusche mehr ausmachen, sondern hörte nur noch einen gewaltigen Donnerhall, unterbrochen von dumpfem und hellem Knall. Von überall schien es herzukommen, ich fühlte mich wie in einer Blase aus Donner und Blitz gefangen.
    Scheiße, dachte ich.
    Scheiße, brüllte ich.
    Die Erde schien von einer Lawine aus Feuer und Staub erdrückt zu werden, den die einschlagenden Geschosse verursachten.
    Husten. Keuchen.
    Ich beschloss, wieder zu schießen. Ich zielte auf die nächstgelegene Mauer, von der ich eben noch einen Mündungsblitz gesehen hatte,

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