Vierbeinige Freunde
Schreien weckte.
„Schura-a-a, hi-ilf!“
Das war Pawel Petrowitsch! Was war nur geschehen? Ich sprang auf, wie von der Tarantel gestochen, knöpfte noch im Laufen den Morgenrock zu und eilte unserem Gast zu Hilfe. Schura und ich stürzten zu gleicher Zeit in sein Zimmer. Es ist schwer zu beschreiben, was wir dort vorfanden! Tisch und Stühle waren umgeworfen, Schuhe, Hosen, Socken, ja, sogar das Jackett, dasselbe neue Jackett, auf das Pawel Petrowitsch so sorgfältig achtgab – alles lag kunterbunt durcheinander! Und inmitten dieses Chaos stand, mit vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen, bloß mit Unterwäsche bekleidet, tief in eine Ecke gedrückt, Pawel Petrowitsch.
„W-w-w-w-as ist das nur?“ stotterte Pawel Petrowitsch, als er meiner ansichtig wurde.
„Das ist ein ganz gewöhnlicher junger Luchs“, antwortete ich. „Nichts als ein Luchs, und Sie sind so erschrocken!“
„Ein Luchs?“ donnerte er da los. „Ein Luchs? Und du. Schura, mein bester Freund und Kamerad, konntest mich in ein Zimmer mit einem Luchs einquartieren? Nie soll mein Fuß mehr eure Schwelle betreten!“
Es kostete unendliche Mühe, Pawel Petrowitsch, der außer sich geraten war, zu besänftigen, ihn zum Bleiben zu bewegen, ihm zu beweisen, daß er keiner Gefahr ausgesetzt gewesen war, daß der Luchs ja noch ganz jung und sehr furchtsam sei, ja, wir griffen noch zu einer Notlüge und versicherten ihm, daß selbst ausgewachsene Luchse niemals einen Menschen anfielen. Da kam, wie zur Bekräftigung, Tasko selber hervorgekrochen. Er sah so niedlich aufgeplustert-wollig aus mit seinem runden, schelmischen Frätzchen, daß Pawel Petrowitsch sogar den Wunsch äußerte, ihn zu streicheln. Das gelang ihm zwar nicht, denn Tasko riß aus, aber der Frieden war wiederhergestellt.
Dann am Morgen, beim Tee, erfuhren wir die Einzelheiten des nächtlichen Abenteuers.
Pawel Petrowitsch war, ganz wie wir es erwartet hatten, sogleich eingeschlafen. Er schlief so fest, daß er nicht hörte, wie Tasko unter dem Schrank hervorkam und all die Sachen herunterzog und herumzerrte. „Ich wachte auf, weil mir jemand die Decke wegzog“, erzählte er. „Erst glaubte ich, Schura wäre es, und bat ihn, mich doch schlafen zu lassen. Dann stand ich auf und machte Licht. Ich sehe die Unordnung um mich herum, meine Decke liegt auf der Erde, doch niemand ist im Zimmer. Wer mag das gewesen sein? wunderte ich mich. Ich schaue unter den Tisch, rücke den Sessel ab, krieche unter das Bett und …“
Da kreischte etwas auf und stob seitwärts davon, und unser Gast schrie los …
Und dann kamen wir hereingestürzt.
Taskos Tod
Von Tag zu Tag wurde es schwieriger, Tasko im Hause zu haben. Er zernagte und zerfetzte alles, was er erwischen konnte. Überall sprang er umher, alles erkletterte, alles beschmutzte er. Was nur irgend möglich war, hatten wir schon längst weggeräumt. Das hinderte ihn aber nicht, sämtliche Stuhlbeine und Stuhllehnen zu benagen und den Sofabezug zu zerfetzen. Sogar die Verzierungen der Etagere trugen die Spuren seiner scharfen Zähne. Es blieb uns nichts anderes übrig, als seine Überführung in den Zoo zu erwägen. Schura war anfangs nicht damit einverstanden, er meinte, wir sollten den Luchs behalten und lieber Kinuli dafür weggeben. Als Tasko aber dann einen neuen Vorhang zerrissen und es fertiggebracht hatte, ein Bild an der Wand zu beschmutzen, erklärte sich Schura mit Taskos Übersiedlung einverstanden.
Im Zoo war für den Luchs schon ein großer, geräumiger Käfig vorbereitet. Er war sauber gescheuert, mit Sand ausgestreut, und ein großer Ast war darin angebracht, damit Tasko etwas zum Klettern und zum Springen hatte. Wir erwarteten die Wärterin, die ihn abholen sollte. Doch alle diese Vorbereitungen waren vergeblich getroffen worden.
Als ich am frühen Morgen das Zimmer betrat, sprang mir Tasko nicht, wie sonst immer, entgegen und reagierte auch nicht auf meinen Lockruf. Tasko war nicht da.
Im Zimmer war es ungewöhnlich still. So still, daß ich es mit der Angst zu tun bekam. Sollte er zum Fenster hinausgesprungen sein? Ich ging einige Schritte weiter – da sah ich Tasko. Unnatürlich zu einem Knäuel zusammengerollt, lag er auf dem Sofa. Den Kopf hatte er hintenübergeworfen, die Fransen des Sofas waren ihm fest um den Hals geschnürt, der Blick der Augen war starr – Tasko war tot.
Wie es gekommen war, ob beim Spiel oder beim Hindurchlaufen, daß ihn die Fransen erwürgten – ich weiß es nicht, jedenfalls aber war
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