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Villa Oma

Villa Oma

Titel: Villa Oma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilse Kleberger
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nickte. „Das kann man wohl sagen. Gerade heute abend habe ich einen Fall sehr schnell erledigt, weil ich im richtigen Moment an der richtigen Stelle sofort zupackte.“
    Oma nickte anerkennend. „Ich habe schon davon gehört.“ Der Wachtmeister lächelte geschmeichelt. „Und Ihr Scharfsinn hat Sie sicher auch merken lassen“, fuhr Oma freundlich fort, „daß der Dieb kein wirklicher Dieb ist, sondern nur ein Junge, der einen dummen Streich begangen hat, nicht wahr?“
    Der Polizist sah sie etwas unsicher an, räusperte sich dann und sagte: „Na ja — “
    Oma ließ ihn nicht weiterreden, sondern fuhr fort: „Fein, dann kann ich ihn ja gleich mitnehmen, denn so etwas erledigt man am besten in der Familie.“
    „Wie bitte?“ Jetzt war der Wachtmeister sprachlos.
    „Er ist nämlich mein Enkel“, sagte Oma und beugte sich über das Rätsel. „Aber hören Sie, das stimmt hier nicht, drei waagrecht, europäisches Land, ist Holland und nicht Finnland, weil drei abwärts ein Männername gefragt ist, und das ist Holger. Mit ,Finn’ gibt es keinen Männernamen. Und muß hier nicht ‚Milchkanne’ hin?“
    „Richtig!“ rief der Wachtmeister erfreut, „dann heißt das hier ‚Neger’.“ Sie waren bald beide so in das Rätsel vertieft, daß sie keine Ruhe gaben, bis sie es zu Ende geraten hatten.
    „So schnell hätte ich es alleine nie herausbekommen“, sagte Oma bewundernd. „Aber nun wollen wir meinen Enkel holen, damit er Ihnen nicht die Zelle blockiert, wenn Sie heute nacht noch einen wirklichen Verbrecher fangen sollten.“
    Ein wenig zögernd, aber ohne Widerspruch, schloß der Polizist eine Tür auf, die auf einen Gang führte, und eine zweite mit einem vergitterten Fensterchen. In der Zelle dahinter war nichts weiter als ein Stuhl und ein einfaches Bett. Auf dem Bett saß Jan, der ungewohnt blaß aussah, und blickte ihnen halb trotzig, halb ängstlich entgegen.
    „So“, sagte Oma, „komm jetzt, du mußt noch deine Rechenaufgaben machen.“ Sie nickte dem verblüfften Wachtmeister zu. „Wenn ich mal mit einem Rätsel gar nicht fertig werde, komme ich bestimmt zu Ihnen“, sagte sie lächelnd. „Und nun auf Wiedersehen und schönen Dank auch, daß Sie meinen Enkel heute nacht hier beherbergen wollten.“

    J an und Oma gingen schweigend nebeneinander her. Plötzlich brach es aus Jan hervor:
    „Diese Gemeinheit, einfach die Polizei zu rufen, als wenn ich ein Verbrecher wäre!“
    „Nun, als die Dame den Wachtmeister rief, warst du doch wirklich ein Dieb, oder nicht?“ fragte Oma.
    „Ach, ich wollte doch nur ein bißchen klauen, weil sie mich heute mittag ,Dieb’ genannt hat, als ich wirklich keiner war.“ Und er erzählte Oma die Geschichte mit den Pflaumen. „Warum ist sie immer so gemein zu uns?“
    „Weil ihr sie immer ärgert“, sagte Oma.
    Jan warf den Kopf zurück. „Sie hat angefangen, uns zu ärgern. Warum ist sie immer so mißtrauisch, und warum ist sie so dick? Sie braucht doch nicht so viel zu essen. Wenn sie nicht so dick wäre, würde keiner über sie lachen.“
    „Nun“, meinte Oma nachdenklich, „vielleicht ist sie so dick, weil sie krank ist oder einsam.“ Auf Jans erstaunten Blick hin fuhr sie fort: „Wenn Menschen einsam sind, fangen sie manchmal an, viel zu essen, weil das etwas ist, was ihnen Freude macht und weil sie sonst keine Freude und Ablenkung haben. Und mißtrauisch ist sie wahrscheinlich, weil alle Leute darüber lachen, daß sie so dick ist. Ich glaube, sie ist ein sehr unglücklicher Mensch.“
    Jan hatte einen roten Kopf bekommen. „Meinst du wirklich?“ fragte er zögernd, „dann müßte ich vielleicht — “
    „Richtig“, unterbrach Oma ihn, „genau das hab ich auch gedacht. Wir pflücken morgen im Garten einen schönen Blumenstrauß, und du gehst damit zu der Dame und entschuldigst dich. Morgen ist Sonntag, da brauchst du nicht zur Schule, sondern kannst gleich am Vormittag zu ihr gehen.“
    Jan war verdutzt. So hatte er es eigentlich nicht gemeint. Er hatte etwas ganz anderes sagen wollen. Aber es war so schwierig, Oma beizubringen, daß sie sich geirrt hatte und daß er gar nicht so edel sein wollte. Sie wäre dann sicher ganz schrecklich enttäuscht. Also schwieg er lieber.
    Am anderen Morgen wachte Jan fröhlich auf. Er schnupperte. Es roch nach Kaffee und frischen Milchbrötchen. Er merkte daran, daß Sonntag war, denn immer sonntags backte Oma Milchbrötchen mit Rosinen. Er sprang mit beiden Beinen aus dem Bett und juchzte. Hurra,

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