Visionen Der Nacht: Der Geheime Bund
Philosophie, und sie macht keine Ausnahmen für versehentliche Morde.«
»Aber Sie können ihn doch nicht einfach ausschließen«, polterte Rob los. »Das geht doch nicht.«
»Man wird sich um ihn kümmern. Hinter dem Garten
ist eine Hütte, in der er bleiben kann. Er darf nur das Haus nicht betreten.«
Das Netz bebte vor Empörung. »Dann gehen wir auch nicht hinein«, erklärte Rob. »Wir gehen nicht ohne ihn.«
Seine grimmige Entschlossenheit erlöste auch die anderen aus ihrer Sprachlosigkeit. »Genau«, bekräftigte Kaitlyn.
»Er ist einer von uns«, erklärte Anna.
»Und es ist eine dämliche Regel!«, fügte Lewis hinzu.
Sie standen alle da, Schulter an Schulter, geeint in ihrer Entschlossenheit. Alle bis auf Lydia, die unsicher wirkte und sich etwas abseits hielt, und Gabriel.
Gabriel zog sich zurück. Er hatte das dünne, schwache Lächeln im Gesicht, das er Rob am Strand zugeworfen hatte.
»Geht nur«, sagte er zu Rob. »Es geht nicht anders.«
»Nein.« Rob stand nun direkt vor ihm. Im blauen Zwielicht leuchtete er fast golden, im krassen Gegensatz zu Gabriel mit seinem blassen Gesicht und dem schwarzen Haar. Sonne und Schwarzes Loch, dachte Kaitlyn. Ewige Gegensätze. Nur standen sie diesmal füreinander ein.
»Oh doch«, sagte Gabriel. »Geht hinein und bringt in Erfahrung, was es mit dem Ort hier auf sich hat. Ich warte. Es macht mir nichts aus.«
Eine Lüge, wie Kaitlyn deutlich spürte, doch niemand sprach darüber. Mereniang wartete noch immer mit der Geduld eines Menschen, für den Minuten überhaupt nicht zählten.
Rob stieß langsam die Luft aus. »Na gut«, seufzte er schließlich. Er klang noch gereizt, und der Blick, mit dem er Mereniang bedachte, war alles andere als freundlich.
»Warte hier«, bat Mereniang Gabriel. »Es wird gleich jemand kommen.« Dann ging sie ins Haus.
Die anderen folgten ihr. Kaits Beine fühlten sich an wie Blei. Sie sah sich noch zweimal um. Gabriel wirkte fast klein, wie er da stand in der hereinbrechenden Dunkelheit.
Das weiße Haus war aus Stein gebaut und sehr geräumig. Der Boden war mit Steinfliesen belegt. Es herrschte eine feierliche Atmosphäre. Es hätte sich auch um einen Tempel handeln können.
Doch die Möblierung war, soweit das auf den ersten Blick zu beurteilen war, einfach gehalten. Es gab schlichte Holzbänke und Stühle im Kolonialstil, und in einer der vielen Kammern sah Kait einen Webstuhl.
»Wie alt ist das Haus?«, fragte sie Mereniang.
»Sehr alt. Es wurde auf den Überresten eines noch älteren Hauses errichtet. Aber wir reden später darüber. Jetzt seid ihr sicher alle müde und hungrig. Kommt mit, dann mache ich euch etwas zu essen.«
Sie führte sie in einen Raum mit einem riesigen Kamin, in dem ein langer Zederntisch stand. Kaitlyn setzte sich auf die Bank. Sie war nervös und gereizt und fühlte sich fehl am Platze.
Dieses Gefühl verließ sie auch nicht, als Mereniang mit einem schweren Holztablett zurückkam. Ihr folgte ein Mädchen, das ebenfalls ein Tablett trug.
»Tamsin«, stellte Mereniang sie vor. Das Mädchen war sehr hübsch. Sie hatte blonde Locken und ein klassisches Profil. Wie Mereniang und der Mann am Flughafen vereinte sie harmonisch Merkmale vieler Völker in sich.
Aber sie sind anders, als ich es mir vorgestellt habe, sagte Kaitlyn zu Rob.
Das lag nicht daran, dass sie keine Magie ausgestrahlt hätten – nein, sie wirkten fast zu magisch, trotz der einfachen Möbel und des bescheidenen Auftretens. Sie hatten etwas Fremdartiges in sich, tief drinnen, und die Art, wie sie dastanden und die fünf betrachteten, war beunruhigend. Sogar das junge Mädchen, Tamsin, schien älter zu sein als die großen Bäume des Urwaldes draußen.
Das Essen war hervorragend. Das Brot schmeckte ähnlich wie die Laibe, die sie am Kiosk gekauft hatten, frisch und nussig. Dazu gab es weichen, gelben Käse und einen Salat aus Wildpflanzen und Kräutern, die aussahen wie Unkraut, jedoch herrlich schmeckten.
Und dann gab es noch flache, lila-bräunliche Fladen.
»Die sind aus Fruchtsirup«, sagte Anna, als Lewis sie danach fragte. »Himbeeren und Brombeeren aus den Wäldern hier.«
Es gab weder Fleisch noch Fisch.
»Wenn ihr fertig seid, stelle ich euch den anderen vor«, sagte Mereniang.
»Was ist mit Gabriel?«, fragte Kaitlyn.
»Ich habe jemanden geschickt, der ihm Essen bringt.«
»Nein, ich meine, lernt er die anderen denn nicht kennen? Oder ist das auch gegen die Regeln?«
Mereniang seufzte. Sie legte die
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